Über 40 Bildbände und eine Geschichte, die fast jeder kennt: "Der kleine Nick". Jean-Jacques Sempé hat die Figur zusammen mit dem 1977 verstorbenen René Goscinny erfunden. Die verrückten Einfälle des kleinen Buben haben sich millionenfach verkauft und sind in über 30 Sprachen übersetzt. Sempé gehörte zu den bedeutendsten Zeichnern und Karikaturisten Frankreichs. Eine Karriere, auf die jeder andere furchtbar stolz gewesen wäre. Nicht so der schüchterne und bescheidene Sempé.

Erst Ende 2020 hatte Sempé mit "Garder le cap" (Kurs halten) einen neuen Bildband herausgebracht. Darin gab er sich wieder als unvergleichlicher Beobachter unserer Zeit. Den Titel habe er deshalb gewählt, weil jeder ein Ziel haben sollte - gleich ob Bäcker oder Forscher, erzählte er in dem Gespräch mit der Regionalzeitung "L"Alsace" weiter. Seines ist klar: Er wollte die Menschen mit Geschichten über unsere großen und kleinen Fehler zum Lachen und Schmunzeln bringen.

Dabei ist Sempés Stil unverkennbar. Fröhlich oder melancholisch, farbig oder schwarz-weiß, mit oder ohne Bildunterschrift: Seine Illustrationen machten mit viel Poesie den Alltag sichtbar. Unter seinem sanft spöttischen Blick entlarven bürgerliche Paare, hochrangige Manager und kleine Leute ihre existenziellen Fragen, die in der Banalität des Alltags wurzeln. Dabei gehören kleine Menschen in überdimensionierten Straßenschluchten zu seinen Lieblingsmotiven. .

Im Umgang mit seinen Protagonisten war  Sempé stets nachsichtig. Er zeichnete sie mit liebevoll-ironischem Strich. Sie in lächerlichen Situationen zu zeigen, mache ihm keinen Spaß, wie er einst meinte. Als "barmherziger Beobachter menschlicher Komödien" wird er deshalb auch bezeichnet.

Sempé wurde 1932 in Pessac bei Bordeaux geboren. Seine Kindheit war eher bedrückend. Ständige Geldprobleme und eine Mutter, die sich mit seinem Stiefvater stritt, der Lebensmittelhändler war und oft betrunken nach Hause kam. Die Schulzeit war ebenso trostlos. Wegen Ungezogenheit flog er von der Schule. Mit 18 Jahren ging er nach Paris, wo er sich mehr schlecht als recht als Weinauslieferer mit dem Fahrrad oder als Bürojunge durchgeschlagen hat, bevor er 1950 das Zeichnen zum Broterwerb machte - zunächst als Karikaturist für verschiedene Medien wie "Paris Match" und die amerikanische Zeitschrift "The New Yorker". Im Jahr 1954 lernte er dann René Goscinny kennen. Die Begegnung mit dem 1977 verstorbenen Comicautor und Miterfinder des unbeugsamen Galliers Asterix war entscheidend. Zusammen erschufen sie die erfolgreiche Kinderbuchserie "Der kleine Nick".

Musik war übrigens seine große Leidenschaft. "Ich glaube, ohne sie wäre ich verrückt geworden, viel verrückter als ich bin", sagte er dem Fernsehsender BFMTV. Zu seinen Lieblingsmusikern gehört - neben dem französischen Komponisten Claude Debussy - der amerikanische Jazzmusiker Duke Ellington, den er mit Blick auf seine Arbeit gerne zitiert hat. So soll der Pianist gesagt haben, dass Jazz für die klassische Musik das sei, was die humoristische Zeichnung für die Malerei ist. Sempés Schlussfolgerung: Sie sei keine große Sache. Sie sei die Kunst, zu suggerieren - wie Jazz.