Sie gehen diesmal als Leiterin des Festivals des österreichischen Films in die Zielkurve. Welche Trends ließen sich denn für Sie als – Verzeihung! – "alte Füchsin" von Jahr zu Jahr ablesen?
BARBARA PICHLER: Erstens gibt es gar nicht so viele Trends, wie man glaubt, und zweitens sieht man die nur über größere Zeiträume. Meistens sind es übliche, natürliche Wellenbewegungen: Heuer haben wir zum Beispiel wieder mehr Spielfilme in unserem Programm. Arbeiten an der Schnittstelle von Experimentellem und Dokumentarischem hingegen, die zuletzt häufig geliefert wurden, sind diesmal nicht so präsent. Auffallend schon seit Jahren ist, dass die Filme grundsätzlich länger werden.

Ist das kleine Kinoland Österreich von internationalen Trends besonders stark beeinflusst?
PICHLER: Natürlich gibt es globale Tendenzen, und ein kleiner Teil der Filmemacher schaut schon auf weltweite Vorbilder. Aber im Grunde ist Österreich ein ganz eigenes Biotop. Gerade dieser – im positiven Sinne – Mischmasch an Zugängen ist das Tolle am heimischen Filmschaffen.
Sie bedauern die Neigung zu "Musterfilmen", also zu Erfolgsmodellen, bei denen die Geldgeber gern aufspringen und die Kinokassen mit Sicherheit hell klingeln.

Kann man denn mit Festivals wie der Diagonale dagegenlenken?
PICHLER: Wenn man ein internationales Festival leitet, kann man zum Beispiel ganz bewusst auf künstlerisch Radikales setzen. Die Diagonale hat aber eine völlig andere Aufgabe: Nämlich das Filmland Österreich in seiner ganzen Breite und Tiefe abzubilden und den so unterschiedlichen Arbeiten eine optimale Öffentlichkeit zu bieten. Da geht es nicht darum zu sagen "Wäh – Mainstream!" oder „Huch – schönes Kunstkino!" Ich selbst habe "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott" von Andreas Prochaska köstlich gefunden, und ich schätze Peter Schreiners komplexes Drama "Lampedusa", das wir heuer zeigen. Das schließt sich für mich nicht aus, und ich hoffe, dass es das auch für die Zuschauer nicht tut. Die Diagonale soll und will das volle Spektrum von Filmen auffächern, die etwas Besonderes versuchen – ob für das Publikum oder das Künstlerische oder das Experimentelle, ist dabei egal. Das Festival hat den Selbstauftrag zu zeigen, was alles Film ist, Film auch ist neben dem, das etwa im Cineplexx läuft, und kann damit absolut etwas zu einer differenzierten Wahrnehmung beitragen.

Wir müssen diesmal leider auch über Ihren Abschied sprechen.
PICHLER: Ach, geh!

Haben Sie in Ihrer Intendanz etwas versäumt, verabsäumt?
PICHLER: Seit 2009 durfte ich erfreulicherweise viel ausprobieren. Dass dabei nicht alles gelungen ist, liegt in der Natur der Sache. Ich habe mir ja für meine Amtszeit konkrete Ziele erdacht und den Moment meines Aufhörens bewusst ausgesucht. Hätte ich weitergemacht, hätte ich vieles ändern müssen.

Also Furcht vor der Routine?
PICHLER: Eher vor der schrecklichen Vorstellung, picken zu bleiben, dass mir nichts mehr Neues eingefallen wäre und ich nur krampfhaft ein paar Jahre angehängt hätte. Da ist mir die nunmehrige existenzielle Unsicherheit lieber. Mein Weggang nach sieben Ausgaben ist für das Festival wie für mich gesünder, man kann und soll so eine Arbeit ja nicht ewig machen. Aber natürlich sehe ich dem Abschied aus der Diagonale-Familie nicht ungerührt entgegen und auch nicht der Ungewissheit, was nun folgt.

Haben Sie etwas vergeigt?
PICHLER: Ach, sicher! Wer macht keine Fehler? Ein Festival zu leiten, ist immer harte Arbeit, da gibt es für jeden Probleme und Enttäuschungen. Entscheide ich mich für etwas, heißt das ja immer, dass ich mich auch gegen etwas entscheiden muss. Aber ich hoffe, den Leuten ist dennoch klar, worum es mir mit der Diagonale essenziell gegangen ist: um Offenheit, Gleichberechtigung, um Diskussionslust und eine fruchtbare Atmosphäre.

Was wünschen Sie dem Festival, Ihren Nachfolgern, sich selbst?
PICHLER: Der Diagonale, dass die Offenheit, die Neugier und die Begeisterung des Publikums bestehen bleiben. Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber wünsche ich zunächst einmal gute Nerven (lacht laut). Nein, die beiden, die ich als Kollegen sehr schätze, haben ja trotz ihrer Jugend bereits langjährige Festivalerfahrungen und haben auch schon bei der Diagonale mitgewirkt, da mache ich mir keine Sorgen. Spaß an der Arbeit sollen sie haben und natürlich Erfolg! Und ich selbst hoffe, dass meine nächste Aufgabe ebenso interessant, spannend und erfüllend ist wie die Leitung der Diagonale.

Was machen Sie denn nun wirklich nach dem 22. März?
PICHLER: Weiß ich nicht. Zunächst aber natürlich noch die Abrechnung des Festivals und die Übergabe, das gehört schließlich dazu. Dann schlafen, schlafen, schlafen und lesen, lesen, lesen. Den Sommer möchte ich ausgiebig für Aktivitäten nutzen – Wandern, Radfahren und Rudern.

Richtiges Sportrudern?
PICHLER: Ja, in einem Verein auf der Donau. Ich wollte das schon immer machen, 2013 habe ich dann begonnen. Es ist optimal für die Muskulatur und die Ausdauer. Außerdem reizt mich die Exaktheit und Feinmechanik, die das Rudern erfordert. Der Trainer, bei dem ich begonnen habe, hat zu uns Anfängern gesagt: "Jetzt wisst’s, wie’s geht, und jetzt macht’s es noch 10.000 Mal, und dann könnt’s es!" Nach eineinhalb Jahren kann ich gerade einmal richtig ins Boot einsteigen. Ich habe also noch "ein bissl" Luft nach oben und werde den Sommer nutzen, um minimale Fortschritte zu erzielen.