Das Coronavirus hält die Welt und die Weltwirtschaft auf Trab. Einzelne Unternehmen sind in der Krise, weil sie aufgrund des Virus mediale Beachtung finden, wie zum Beispiel der deutsche Autozulieferer Webasto. Wie sollte man in dieser Situation vorgehen?
MARTIN ZECHNER: So eine Situation kann man nur durch klares Handeln und Leadership bewältigen. Zuerst entsteht eine gewisse Panik in der Organisation, wenn bekannt wird, dass eine chinesische Mitarbeiterin dort gewesen und ein potenzieller Überträger ist und dann auch Krankheitsformen nachgewiesen werden. Man hat deshalb die Organisationsstruktur geändert und alle auf Homeoffice umgestellt, damit die Verbreitung verhindert wird. So war es möglich, weiterzuarbeiten.
Richtig gehandelt?
MARTIN ZECHNER: Man hat das im Krisenmanagement sehr professionell behandelt, weil man nicht nur einen sehr gut geführten Krisenleitstab hatte, sondern auch ein zweites Team, falls Leute erkranken und ausfallen. Somit ist es im Headquarter sehr gut gelungen, die Krise zu bewältigen. In der Kommunikation kann man nur ganz transparent und offensiv vorgehen. Es hat keinen Sinn, zu vertuschen. All das führt zu einem Vertrauensverlust und der wäre kontraproduktiv.
Das Virus zeigt, wie vernetzt die Welt ist. Ist sie deswegen auch krisenanfälliger?
MARTIN ZECHNER: Ja, krisenanalytisch betrachtet haben wir in China eine Katastrophensituation. Diese wird nun aufgrund der globalen Vernetzung Auswirkungen in anderen Erdteilen haben. Somit ist sie eine multifaktorielle Krise, wo man noch nicht weiß, wie sie sich in unterschiedlichen Lebensbereichen auswirken wird. Das beginnt in den Zulieferketten einzelner Unternehmen oder beim Verhalten der Menschen. Ich weiß beispielsweise nicht, ob Kreuzfahrten weiterhin boomen werden. Aber es gibt auch Gewinner. Jene Industrien, die an der Lösung arbeiten. Und: tradierte, örtliche Unternehmen, die nicht so stark am globalen Markt mitspielen.
Welche Rolle spielen soziale Medien im Krisenmanagement?
MARTIN ZECHNER: Durch die offene Kommunikationsmöglichkeit gerät man direkt in eine Akutphase – ist also sofort mitten in der Krise. Die Frühwarnung fällt weg. Die Geschwindigkeit nimmt zu, die Thematiken entwickeln sich volatiler, sie ebben aber gleichzeitig auch viel schneller ab.
Wann liegt per definitionem eine Krise vor?
MARTIN ZECHNER: Eine Krise ist ein ungeplanter, ungewollter, negativer Prozess, der von einer begrenzten Dauer, aber auch nur bedingt beeinflussbar ist. Und das macht es so schwierig, weil die Krise dazu führt, dass wir unsere Komfortzone verlassen.
Oftmals wird schon nach ersten Anzeichen von einer Krise gesprochen. Wie schafft man es, sie nicht herbeizureden, aber doch früh genug zu handeln?
MARTIN ZECHNER: Der Mensch hat in seinem Leben unweigerlich immer wieder mit Krisen zu tun. Wir neigen nur leider dazu, derartige Dinge zu verdrängen. Wir befinden uns dann in einer Art Ausnahmezustand. Wenn wir uns diesen zu früh einreden, zieht es einen runter – als Mensch und Unternehmen. Ein wesentlicher Umgang mit Krisen ist, dass man die Ruhe bewahren und seiner Strategie treu bleiben sollte. Mensch und Wirtschaft müssen sich aber auch damit abfinden, dass es nicht nur bergauf gehen kann.
Was hilft in/aus der Krise?
MARTIN ZECHNER: Ein Mensch, in der Krise, wird sich viel leichter orientieren, wenn er Sinn findet. Viktor Frankl hat das aufgrund seines Lebenslaufs gut mit seiner Sinnorientierung übersetzt. Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass es nach der Krisensituation weitergeht. Das ist auch das Problem, das wir bei ökonomischen Krisen haben. Unternehmen scheitern oft daran, den Mitarbeitern, die in schwierigen Zeiten umso wichtiger sind, diesen Sinn zu übersetzen. Nichts macht den Menschen so stark wie der Sinn. Unternehmen begehen den Fehler, alles nur noch an Zahlen festzumachen. Erfolgreiche Veränderungsprozesse schaffen es immer, den Sinn zu vermitteln.
Wie sollten Mitarbeiter handeln, wenn sie durch eine Krise gehen?
MARTIN ZECHNER: In einer Krise ist der Mensch mit einer völlig neuen Situation konfrontiert. Diese bewältigt man besser, wenn man resilient ist und einen gut entwickelten Selbstwert hat. Hier gibt es drei Punkte zu beachten: Ich, Arbeit, Interaktion. Man muss in Krisensituationen besonders auf die eigenen Bedürfnisse achten. In der Arbeit spielen Werte und Sinn eine große Rolle. Und auch die Interaktion mit dem sozialen Umfeld ist wichtig. Viele machen den Fehler, sich mit einem Tunnelblick auf die Problemsituation hinzubewegen.
Wer ist besser im Umgang mit Krisen: Männer oder Frauen?
MARTIN ZECHNER: Ich beobachte, dass Frauen in einer Krisensituation meist analytisch klarer und reflektierter sind als Männer. Männer verfallen leider oft dem Adler’schen Grundsatz – nämlich nach der Macht zu streben. Egal ob Frau oder Mann, der entscheidende Mensch ist der Schlüssel zur Lösung jeder Krise.