Einzelhandelskaufleute und Friseure:Sie standen plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, weil sie trotz Pandemiewirren weiterhin dafür sorgten, dass die Regale vor allem mit Klopapier und Konserven gefüllt waren oder, dass die Frisur gleich nach dem Lockdown wieder saß. Ob diese Bilder einen dauerhaften Imagewandel in Sachen Lehrberufe bewirken konnten, wird sich erst zeigen. Was man aber jetzt bereits sagen kann, ist, dass die Lehrlingszahlen im Vorjahr nicht so stark gesunken sind wie anfangs befürchtet.

108.416 junge Menschen machten 2020 in Österreich eine Lehre, um 0,6 Prozent weniger als im Jahr 2019. Hier dürfte auch der Lehrlingsbonus einen abfedernden Effekt gehabt haben. Laut Wirtschaftsministerium wurden 47 Millionen Euro ausbezahlt und 12.384 Anträge bearbeitet. In den Bundesländern Steiermark und Kärnten machten 15.323 und 7232 Lehrlinge ihre Ausbildung – Kärnten verzeichnete damit sogar ein Plus von 0,9 Prozent zum Vorjahr.

"Handwerk hat seine besten Zeiten vor sich"

Doch vor dem Lehrantritt steht neben den persönlichen Stärken und Interessen auch die entscheidende Frage: Welche Berufe bieten genügend Perspektiven in unsicheren Zeiten wie diesen? Die Prognose des Wiener Zukunftsforschers Andreas Reiter lautet: „Handwerk hat seine besten Zeiten noch vor sich – in Zukunft natürlich immer mehr auch unterstützt von digitalen Technologien.“ Dieser positive Rückenwind hat einen einfachen Grund: „Je digitaler die Gesellschaft wird, desto weniger Bezug hat sie zu manuellen Tätigkeiten. Ein guter Handwerker ist von daher immer auf der sicheren Seite – begehrt wird, was selten ist. Versuchen Sie einmal einen Termin nächste Woche bei einem Installateur oder Elektriker zu bekommen – ein sinnloses Unterfangen.“ Begehrtes Handwerk – diesen Befund bestätigen auch die Zahlen: In der Steiermark verzeichnete man im Krisenjahr ein Plus von 29,1 Prozent bei Lehranfängern in Zimmerei, gefolgt von Installations- und Gebäudetechnik (+18,6 Prozent) und Tischlerei- und Tischlereitechnik (+16,7 Prozent). Österreichweit findet man 43 Prozent der Lehrlinge in der Sparte „Gewerbe und Handwerk“, gefolgt von „Industrie“ (15,1 Prozent) oder „Handel“ (13,9 Prozent).

Rückenwind für E-Commerce-Experten

Im Handel hatten nicht nur die Lehrlinge im Lebensmittelbereich ihre große Stunde im Pandemiejahr. Auch der 2018 neu geschaffene Lehrberuf des E-Commerce-Kaufmanns, ein Experte in Sachen Online-Einkauf, rückte in den Fokus der Öffentlichkeit, da sich das Einkaufserlebnis wegen der Lockdowns stärker ins digitale verlagerte. So transportierte die Post 2020 eine Rekordmenge von rund 165 Millionen Paketen. „Es sind vor allem jene Berufsfelder, die in einer digitalen Wirtschaft besonders wichtig sind, wie zum Beispiel Logistiker. Starke Zukunftsperspektiven haben insgesamt technologische Lehrberufe wie Mechatroniker oder Elektroniker“, so Zukunftsforscher Reiter. Doch welches Können müssen die Lehrlinge der Zukunft eigentlich mitbringen? „Zukunft ist nie einfach, sondern vielfach – das erfordert auch einen Fächer an geforderten Kompetenzen: fachliche, soziale, kommunikative. Generell halte ich die Vermittlung von kreativen Fähigkeiten zur Problemlösung am wichtigsten. In einer hochkomplexen digitalen Welt geht es darum, plötzlich auftauchende Probleme kompetent zu lösen“, so der Experte.

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Mit einem kreativen Lösungsvorschlag ließ auch die Sparte Industrie nun aufhorchen. Hier will man dem Lehrlingsmangel mit Campusgefühl in so genannten „Lehrlingshubs“ beikommen und damit junge Menschen auch zu einem eventuellen Umzug motivieren. Sie sollen in diesen Hubs eine leistbare Wohnmöglichkeit samt Mobilitätsangeboten zu den Ausbildungsbetrieben sowie Mentoringprogramme zur Verfügung gestellt bekommen. Denn, während Kärnten beispielsweise eine Lehrstellenlücke aufweist, können Bundesländer wie die Steiermark zahlreiche Lehrstellen noch immer schwer bis gar nicht besetzen.