"Ich war wirklich sehr erstaunt, was der Mann alles über mich gewusst hat." Dreieinhalb Stunden dauerte am Donnerstag der "Auftritt" von Anja Windl vor einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Fremden- und Asylwesen (BFA) in Leoben. Dorthin war die Klimaaktivistin der "Letzten Generation" geladen worden. Zur "Einvernahme hinsichtlich Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme". Das heißt: Der österreichische Staat will die 26-jährige deutsche Staatsbürgerin abschieben.

Die Einvernahme durch den BFA-Beamten habe sich um ihr Leben in Österreich gedreht, so Windl: "Es ging um meine Krankenversicherung, um meinen Wohnort und meine Wohnsituation sowie darum, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiene." Ein zweiter, wesentlicher Teil in ihrer Einvernahme habe sich dem Gefährdungspotenzial für die öffentliche Ordnung durch sie bzw. durch die "Letzte Generation" gewidmet. "Ich habe einmal mehr gesagt, dass wir mit unseren Protestaktionen keine Menschen gefährden", sagt Windl. "Wir wollen damit bewirken, dass die Verantwortlichen endlich ernsthafte Klimaschutzmaßnahmen setzen."

"Freundliches Gespräch"

Das Gespräch im BFA sei "sehr freundlich" gewesen, aber es seien auch "weniger angenehme Dinge angesprochen" worden, so die 26-Jährige: "Doch das habe ich erwartet." Wie es mit der Prüfung ihrer Abschiebung weitergehe, wisse sie nicht. Für sie sei klar, dass sie einen Abschiebungsbescheid bekämpfen werde: "Ich lasse mich nicht aus Österreich vertreiben." Grundsätzlich glaube sie, dass an ihr "ein Exempel statuiert" werden soll. "Ich bin das bekannteste Gesicht unserer Bewegung und medial präsent."

Dass das Abschiebeverfahren ihr möglicherweise mehr nutze als schade, ist der heftig umstrittenen Deutschen bewusst: "Diese Aktion ist ein Geschenk für unsere Bewegung." Das Vorgehen des Staates steigere das Interesse für die Ziele der "Letzten Generation". Sie könne versichern, dass es ein Ansporn sei, mit den Protesten weiterzumachen. Nächsten Dienstag in Graz und bald wieder in Kärnten.

"Wir prüfen sehr genau"

Die Reaktion aus dem Innenministerium zum Wirbel um Windl fällt zurückhaltend und nüchtern aus: "Zu Einzelfällen kann aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilt werden", sagt Ministeriumssprecher Harald Sörös. "Wir können aber versichern, dass es in jedem Einzelfall zu einer sehr genauen Prüfung des Sachverhalts kommt."

"Braucht schwere Straftat"

Kritik an der Vorgehensweise des Staates kommt hingegen von Europarechtler Walter Obwexer von der Uni Innsbruck. Im Ö1-"Morgenjournal" sagte er, bloße Verwaltungsübertretungen, selbst bei Rechtswirksamkeit, könnten kein Grund für eine Ausweisung sein. Dafür bräuchte es "zunächst eine schwere Straftat wie eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub und dann noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird", sagte Obwexer. "Nur eine schwere Straftat begangen zu haben und dafür rechtskräftig verurteilt worden zu sein, ohne Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird, reicht für eine Ausweisung ebenfalls nicht aus."

"An den Rand gedrängt"

Auch Medienethikerin Claudia Paganini kritisiert das Vorgehen der Behörden in diesem Fall scharf. Die mögliche Ausweisung sei ein "trauriger Symbolakt", sagte Paganini der Austria Presse Agentur (APA). Für die Österreicherin Paganini, die sich in ihrer Arbeit mit "Hatespeech gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten" befasst, sei das Vorgehen des zuständigen Innenministeriums "bezeichnend für den aktuellen Umgang der Politik" mit den Mitgliedern der Klima-Protestbewegung. "Diese Leute aus der Mitte der Gesellschaft werden kriminalisiert und an den Rand gedrängt."