Die Anführenden der internationalen Klimaprotestbewegungen haben eines gemeinsam: Ein Großteil davon sind junge Frauen. Angefangen mit dem wohl prominentesten Gesicht, der Schwedin Greta Thunberg, lässt sich die Liste über Luisa Neubauer (Deutschland), Sophia Kianni (USA) bis hin zu Anna Taylor (Großbritannien) beliebig fortsetzen. Hierzulande sind es vor allem Lena Schilling ("Lobau bleibt"), Martha Krumpeck und Anja Windl (beide "Letzte Generation"), die als Gesichter der heimischen Klimaprotestbewegung in Erscheinung treten.

Aber woran liegt es, dass die weltweiten Klimaproteste vor allem von jungen Frauen geprägt sind? Aktivistin Anja Windl vermutet, dass die hohe weibliche Präsenz in der Klima-Szene "multifaktoriell bedingt" ist. Dazu zählt ihrer Ansicht nach, dass feministische Werte eng mit den Bemühungen um die Herstellung gerechterer gesellschaftlicher Verhältnisse verwoben seien. Darüber hinaus wirke die Klimakrise "wie ein Brennglas für soziale Ungerechtigkeiten", so Windl. "Das betrifft damit besonders Frauen im globalen Süden."

Anja Windl von der "Letzten Generation" bei einer Kleber-Aktion
Anja Windl von der "Letzten Generation" bei einer Kleber-Aktion © (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Tatsächlich sterben laut der UNO Frauen und Kinder bei einer Umweltkatastrophe mit 14-mal höherer Wahrscheinlichkeit als Männer – unter anderem, weil sie später gewarnt werden, seltener schwimmen können und sich auf der Flucht um Angehörige kümmern.

Wie Erziehung und Klimaproteste zusammenhängen

Aber warum gehen junge Frauen auf die Straße, um für den Umwelt- und Klimaschutz zu demonstrieren? Interessieren sich Frauen schlicht mehr als Männer für den Klima- und Umweltschutz? Das zumindest suggeriert die vom Institut für Jugendkulturforschung durchgeführte "Jugendstudie" aus dem Jahr 2020, wonach insbesondere jungen Frauen und Höhergebildeten Klima- und Umweltschutz besonders wichtig ist. Auch die persönliche Verantwortung betreffend unterscheiden sich die Einstellungen zwischen den Geschlechtern: 64 Prozent der weiblichen Jugendlichen sind der Meinung, dass jeder etwas für den Umwelt- und Klimaschutz beitragen kann. Von den männlichen Jugendlichen sagten das 51 Prozent.

Bernhard Heinzlmaier, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung, verwundert das nicht. Weibliche Jugendliche würden auch eine deutlich höhere Engagement-Bereitschaft zeigen. Er sagt: "Wir gehen davon aus, dass dies und ihre solidarische Grundhaltung auf die Erziehung zurückzuführen ist, die auch noch heute auf einer völlig anderen Wertebasis erfolgt als die der jungen Männer."

Von links nach rechts: Die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Anuna de Wever und Adelaide Charlier bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin
Von links nach rechts: Die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Anuna de Wever und Adelaide Charlier bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin © (c) AP (Markus Schreiber)

Frauen: Größeres Verantwortungsgefühl?

Demnach würden Frauen nach wie vor als "Gemeinschaftswesen" erzogen, die innerhalb der Familie viel Verantwortung übernehmen. Dieser Verantwortungshorizont werde nun ausgeweitet: "Vor dem Hintergrund der multiplen Krise wird das Verantwortungsgefühl auf das gesellschaftliche Leben und die gesamte Menschheit ausgeweitet." 

Dem Kommunikationsexperten zufolge erscheinen Frauen auch in einem deutlich höheren Maße empathisch zu sein. Auch das sei eine Folge der Erziehung in bürgerlichen Familien. "Während junge Männer darauf ausgerichtet worden sind, egoistisch zu handeln, werden junge Frauen zum verantwortlichen Handeln und zum Ideal der Gemeinschaftlichkeit erzogen."

Nicht nur beim Klima: Vermehrte politische Partizipation von Frauen

Aber sind es tatsächlich besonders junge Frauen, die sich im Kampf gegen den Klimawandel engagieren? 2019 haben Forschende im Rahmen einer Demonstrationsbefragung "eine ungewöhnlich starke junge, weibliche Mobilisierung" bei Klimaprotesten in insgesamt dreizehn europäischen Städten – darunter Wien – festgestellt. Insgesamt waren 60 Prozent der Demonstrierenden Frauen.

Antje Daniel, Protestforscherin am Institut für Internationale Entwicklung an der Universität Wien, hat bei den Befragungen mitgearbeitet. "Wir sehen in einigen Bereichen eine Zunahme an Frauen in den politischen Aktivitäten, aber auch auf den Demonstrationen." Daniel spricht jedoch von einem "leichten Übergewicht" von Frauen. Auch Männer seien bei den Klimaprotesten schließlich aktiv. 

Antje Daniel leitet die Forschungswerkstatt Umweltproteste am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien
Antje Daniel leitet die Forschungswerkstatt Umweltproteste am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien © KK

Generell gelte es, hier zu differenzieren. Auch bei anderen Protesten wie zum Beispiel den Corona-Demonstrationen ließ sich ein hoher Frauenanteil beobachten. "Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die 'Fridays For Future'-Proteste einen allgemeineren Trend einer vermehrten politischen Partizipation von Frauen widerspiegeln."

Dass weibliche Personen auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, sieht Daniel als Verweis darauf, dass junge Frauen mit einem ganz anderen politischen Selbstverständnis groß werden. Auch würden weibliche Demonstrierende sich in Hinblick auf die Möglichkeiten politischer Teilhabe Männern gegenüber gleichberechtigt fühlen. Die Motive, aus denen Frauen und Männer bei Klimaprotesten aktiv werden, seien übrigens ähnliche.