Der Volksmund hat dem Kirchenfest einen fast putzigen Namen gegeben: „Pauli Bekehrung“ wird am 25. Jänner gefeiert – übrigens bis heute. Im Mittelalter hatte der Gedenktag an die Bekehrung des späteren Missionars Paulus von Tarsus zum Christentum noch eine weitaus größere Bedeutung. Man ging in die Kirche, auch wenn der 25. Jänner ein Wochentag war. Wie anno 1348, als „Pauli Bekehrung“ auf einen Freitag fiel.

Es sollte ein schwarzer Freitag werden, dessen Ereignisse bis heute jeder im Unteren Gailtal und im Raum Villach kennt. Während nach getaner Arbeit am späten Nachmittag überall Gottesdienste gefeiert wurden, begann plötzlich die Erde zu beben. In Villach stürzten Teile der Stadtpfarr- und der Minoritenkirche ein, auch andere Gebäude und die mächtige bis zu sieben Meter hohe Stadtmauer wurden schwer beschädigt. Zeitgenössische Quellen berichten von Erdspalten, die sich auftaten und Häuser verschlangen. Spätere Chronisten fassten das meist so zusammen: „Die wenigen Überlebenden glaubten, Zeugen des jüngsten Tages zu sein.“

Gewaltiger Bergsturz

Gleichzeitig hatte das Erdbeben, dessen Epizentrum in Friaul lag, einen gewaltigen Bergsturz ausgelöst. Von der Dobratsch-Südseite lösten sich durch die Erschütterungen in einer Höhe von 1400 bis 1500 Meter Gesteinsmassen in einer Gesamtlänge von rund einem Kilometer. 30 Millionen Kubikmeter Schutt und Geröll donnerten in das Untere Gailtal. Bis zu 17 Dörfer sollen darunter begraben worden sein, ist in zahlreichen Überlieferungen zu lesen.

Heute weiß man: Bei den Berichten über die betroffenen Ortschaften handelte es sich um bewusst verbreitete falsche Nachrichten, mittelalterliche „Fake News“ quasi. „Das Bergsturzgebiet war weitgehend unbesiedelt. Nur die Dörfer Pruck und St. Johann mussten von ihren Bewohnern später verlassen werden. Sie gingen in dem See unter, zu dem die Geröllmassen die Gail aufgestaut hatten“, sagt Harald Krainer. Der im Mai 2023 verstorbene Villacher Sachbuchautor und Obmann des Vereins „Historisches Warmbad“ beschäftigte sich intensiv mit der Katastrophe von 1348.

In die Welt gesetzt hatte die „Fake News“ von den 17 verschwundenen Dörfern das Benediktinerkloster Arnoldstein, das große Besitzungen in der Gegend hatte. Mit dem Märchen von den schlimmen wirtschaftlichen Einbußen infolge des Bergsturzes konnte man sich fast 500 Jahre lang vor diversen Steuern und Abgaben drücken. Die Berichte über das Ereignis wurden dadurch immer blumiger und gipfelten in einem „Katastral-Schätzungselaborat“ der Steuerbehörden aus dem Jahr 1831 in der Formulierung „vulkanische Explosion des Hochgebirges“.

Horrorzahlen

Auch bei den Folgen für Villach wurde übertrieben. „Es kursieren Horrorzahlen von bis zu 5000 Toten. Sie sind in das Reich der Fantasie zu verweisen. Villach hatte selbst zu seiner Blütezeit im Mittelalter nicht einmal 3000 Einwohner“, weiß Krainer. „Wahrscheinlich wären sogar 500 Opfer noch übertrieben.“ Historisch unbestritten sind die Schäden an der Stadtmauer. Für ihren Wiederaufbau erhielten die Bürger noch 1380, also 32 Jahre nach der Katastrophe, eine dreijährige Steuerbefreiung.

Die Bergsturzlandschaft zwischen Villach und Arnoldstein trägt mittlerweile den bezeichnenden Namen Schütt, ist seit 1942 das älteste Kärntner Naturschutzgebiet und mittlerweile Teil des Naturparks Dobratsch. Es ist eine bizarre Gegend: Teilweise überwachsene riesige Felsblöcke wechseln sich hier mit nackten Geröllhalden, grünen Wäldern und Wiesen ab. Experten sprechen von einem einzigartigen „Hotspot der Biodiversität“, der Heimat vieler seltener Pflanzen und Tiere ist.

Bergstürze gibt es immer wieder. Beim letzten – er wurde wahrscheinlich durch den plötzlichen Wechsel von Frost zu Tauwetter ausgelöst – kamen am 16. Jänner 2015 rund 25.000 Kubikmeter Geröll vom Dobratsch herunter.