Sie begleiten den Klimarat, der ab heute in Salzburg tagt, wissenschaftlich. Was hat sich seit der ersten Tagung im Jänner in Wien entwickelt?

Georg Kaser: Der Klimarat ist beim ersten Treffen schnell ins lebhafte Arbeiten übergegangen. Mich hat fasziniert, wie die rund 100 von der Statistik Austria ausgewählten Bürgerinnen und Bürger in Bewegung gekommen sind. Es handelt sich nach meinem Eindruck um großteils offene Menschen, die sich auf das Abenteuer einlassen.

Politiker sind gewählt, um Entscheidungen zu treffen. Wozu braucht es da einen solchen Rat?

Als Klimaforscher muss ich feststellen: Die Politik hat es bisher nicht geschafft, die Klimaprobleme in den Griff zu bekommen, obwohl seit 40 Jahren gewarnt wird, dass da etwas Schlimmes auf uns zukommt. Jetzt stecken wir deshalb in einer bedrohlichen Krise. Der Klimarat selbst hat ja keine Entscheidungsbefugnis. Aber er kann als demokratiepolitisches Instrument helfen, Wege aufzuzeigen. Wenn man den Klimawandel in den Griff bekommen will, ist eine massive gesellschaftliche Transformation nötig. Auf sich allein gestellt, ist das für die Politik mit all ihren Abhängigkeiten schwer zu machen.

Einige Kritiker sehen eine „Räterepublik“ heraufdräuen.

Es droht uns jetzt sicher keine Räterepublik. Die große Chance liegt darin, dass Bürgerinnen und Bürger eingebunden werden und ihre Sichtweisen einbringen können. Das war vom Nationalrat so gewünscht und ist in einer Demokratie, die träge und müde geworden ist, sehr wertvoll. Noch einmal: Die Entscheidungen trifft die Politik, nicht der Rat.

Georg Kaser ist Gletscher- und Klimaforscher an der Universität Innsbruck
Georg Kaser ist Gletscher- und Klimaforscher an der Universität Innsbruck © kk

Sie sprechen von gesellschaftlicher Transformation. Warum?

Wir gehen in Riesenschritten auf eine Welt zu, die das Klimaziel von Paris überschreitet. Wir sehen, dass diverse Kipppunkte im System bereits ihre Blaulichter einschalten. Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel mit einigermaßen großer Sicherheit noch einhalten wollen, bleiben weltweit pro Kopf etwa 35 Tonnen Treibhausgas, die noch ausgestoßen werden dürfen. Schon Herstellung und Betrieb eines Autos können genügen, um dieses persönliche Budget auszuschöpfen. Mit den wenigen Tonnen CO2, die wir noch ausstoßen dürfen, müssen wir ganz besonnen umgehen, ob nun als Personen, als Staaten oder als Wirtschaftszweige. Wir sind in einer extrem dramatischen Situation, die wir nur meistern können, wenn wir uns als Gesellschaft neu aufstellen.

Ist ein Klimarat aus 100 Personen so einer Herausforderung gewachsen?

Nein, das ist auch nicht die Aufgabe. Der Klimarat ist ein Instrument von vielen. Er kann jenen Politikern, die willens sind, den Rücken stärken, er kann die Politik zu rascherem Handeln animieren. Vielleicht erzeugt er auch gegenüber jenen einen gewissen Druck, die immer noch denken, mit ein paar kleinen Maßnahmen und technischen Neuerungen wäre das Problem zu bewältigen.

Österreich hat jetzt zwar einen Klimarat, aber nach wie vor kein Klimaschutzgesetz. Fehlt es der Politik generell am Willen?

Offenbar kann sich die Regierung darauf bis jetzt nicht einigen. Solche langwierigen Baustellen wären auch kein Problem, wenn nicht die Situation bereits so drängend wäre.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Ergebnisse am Ende auf Nimmerwiedersehen in einer Schublade verschwinden?

Ich habe das Gefühl, dass es die Politik diesmal erst meint. Weltweit haben Politiker nun begriffen, worum es hier geht. Vor sechs, sieben Jahren wäre ich diesbezüglich noch skeptischer gewesen.