Der Nobelpreis für Chemie 2018 geht zur Hälfte an die US-Forscherin Frances Arnold, zur anderen Hälfte an den US-Wissenschafter George Smith und seinen britischen Kollegen Gregory Winter. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften heute, Mittwoch, in Stockholm bekannt. Die Auszeichnung ist heuer mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 870.000 Euro) dotiert.

Die Preisträger würden mit genetischer Veränderung und Selektion die gleichen Prinzipien wie die Evolution nutzen, um Proteine zu entwickeln, die chemische Probleme lösen, begründete die Jury die Preisvergabe. Arnold war eine Pionierin bei der Entwicklung der Methode der "Gerichteten Evolution" für die Produktion von Enzymen. Smith und Winter entwickelten eine "Phagen-Display" genannte Methode. Dabei werden Bakteriophagen - das sind Bakterien infizierende Viren - genutzt, um neue Proteine zu produzieren, aus denen Arzneistoffe hergestellt werden.

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zu gleichen Teilen an den Schweizer Jacques Dubochet, den in Deutschland geborenen US-Forscher Joachim Frank und den Briten Richard Henderson für ihre Beiträge zur Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

"Prinzipien Darwins im Reagenzglas"

Die Chemie-Nobelpreisträger 2018 hätten sich von der Kraft der Evolution inspirieren lassen, die in der 3,7 Milliarden Jahre dauernden Entwicklung von Leben auf der Erde zahlreiche chemische Probleme gelöst hat, teilte das Nobelpreiskomitee mit. Proteine, die chemischen Werkzeuge des Lebens, wurden dabei optimiert, verändert und erneuert, was zu einer unglaublichen Vielfalt geführt hat.

Die drei Nobelpreisträger würden "die Prinzipien von Darwin in Reagenzgläsern einsetzen", sagte Glaes Gustafsson, Chef des Nobel-Komitees für Chemie. Sie würden dafür "das molekulare Verständnis nutzen, das wir vom Evolutionsprozess besitzen, und bildeten den Prozess in ihren Laboratorien nach". So sei es ihnen gelungen, die Evolution "viele Tausend Mal schneller zu machen" und so zu verändern, dass neue Proteine entstehen. Ihre Methoden würden nun "international eingesetzt, um eine grünere Chemieindustrie zu fördern, neue Materialien herzustellen, nachhaltige Biokraftstoffe herzustellen, Krankheiten zu lindern und Leben zu retten", heißt es seitens der Jury.

Frances Arnold (Jahrgang 1956) vom California Institute of Technology (Caltech) in Passadena (USA) ist ausgebildete Maschinenbau- und Luftfahrtingenieurin, wandte sich aber bald der Biochemie, konkret den Enzymen zu. Diese natürlichen Katalysatoren sind aus 20 verschiedenen Aminosäuren aufgebaut, die unendlich kombiniert werden können. Ein einzelnes Enzym kann dabei aus mehreren Tausend Aminosäuren bestehen, die in langen Ketten verbunden und dreidimensional gefalten sind.

Sie begann 1996 Gene zu verändern, die für die Herstellung solcher Enzyme verantwortlich sind, brachte sie in Bakterien ein und ließ diese Tausende verschiedene Varianten eines Enzyms produzieren und selektierte dann in Richtung der gewünschten Eigenschaften. "Damit demonstrierte Frances Arnold die Überlegenheit des Zufalls und der gezielten Selektion über die menschliche Rationalität, um die Entwicklung neuer Enzyme zu steuern", betonte das Nobelpreiskomitee.

Die Methode wurde vom 2013 verstorbenen Niederländischen Forscher Willem Stemmer weiterentwickelt. Die Enzyme, die nun in Arnolds Labor produziert werden, können eine Chemie katalysieren, die es in der Natur gar nicht gebe, und produziere völlig neue Materialien. Ihre maßgeschneiderten Enzyme seien wichtige Werkzeuge bei der Herstellung verschiedener Substanzen wie Pharmazeutika geworden, wobei chemische Reaktionen nicht nur beschleunigt, sondern auch umweltfreundlicher würden.

George Smith (Jahrgang 1941) von der University of Missouri (USA) und Gregory Winter (Jahrgang 1951) vom Laboratory of Molecular Biology in Cambridge (Großbritannien) nutzten für ihre Methode Viren, die Bakterien infizieren, sogenannte Bakteriophagen. Um sich fortzupflanzen, injizieren die Viren ihr genetisches Material in die Bakterien und lassen diese neue Kopien ihres genetischen Materials sowie die Proteine, die eine Schutzhülle um sie bilden, produzieren.

1985 schaffte es Smith, dass Bakteriophagen verschiedene Proteine auf seiner Oberfläche produzieren, und konnte sie mit Hilfe spezifischer Antikörper, die an das gesuchte Protein binden, aus der Phagensuppe herausfischen. Ab Anfang der 1990er Jahre begannen mehrere Forschungsgruppen, die Phagen-Display-Methode zu verwenden, um neue Biomoleküle zu entwickeln. Einer davon war Gregory Winter.

Er zeigte in der Folge, dass man die Methode für die gerichtete Evolution von Antikörpern verwenden kann und baute eine Bibliothek von Phagen mit Milliarden von Antikörpern auf ihren Oberflächen auf. Er gründete ein Unternehmen und entwickelte ein Arzneimittel, das vollständig auf einem menschlichen Antikörper basiert: Dieser neutralisiert ein Protein (TNF-alpha), das die Entzündung bei vielen Autoimmunerkrankungen antreibt. 2002 wurde es zur Behandlung von rheumatoider Arthritis zugelassen und wird mittlerweile auch für die Behandlung von verschiedenen Arten von Psoriasis und entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt. Inzwischen werde die Phagen-Display-Methode unter anderem zur Herstellung von Krebs-Antikörpern verwendet.