Der Minister der staatlichen Verwaltung für Sicherheit am Arbeitsplatz, Yang Dongliang wurde am Dienstag wegen des Verdachts der Korruption von seinen Pflichten entbunden, der Betreiber des Gefahrgutlagers wurde festgenommen. Der Regen sorgt indes für Angst vor giftigen Stoffen.

Gegen das Unternehmen Ruihai Logistik, das das unheilvolle Gefahrgutlager betrieb, wird wegen Ungereimtheiten bei seinen Lizenzen für den Umgang mit Chemikalien ermittelt. Die staatliche Zeitung "People's Daily" berichtete am Dienstag im Internet, der Chef von Ruihai und sein Stellvertreter seien zusammen mit acht weiteren Personen bereits am Donnerstag festgenommen worden. Seitdem ist das Unternehmen telefonisch nicht mehr zu erreichen.

Der Lagerbetreiber hatte nach Informationen auf der Website der staatlichen Industrie- und Handelsbehörde von Oktober 2014 bis Juni 2015 keine Genehmigung für den Umgang mit Gefahrengütern. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete unter Berufung auf Ruihai-Vertreter, der Konzern habe die Arbeit mit riskanten Chemikalien dennoch fortgesetzt.

"Ungewöhnlicher weißer Schaum"

Die ersten Regenfälle seit der Katastrophe verstärkten die Angst in der Zehn-Millionen-Metropole vor giftigen Stoffen. Auf den Straßen lag "ungewöhnlicher weißer Schaum", wie Reporter berichteten.



Gegen den Arbeitsschutzminister werde wegen "schwerer Verletzung von Disziplin und Gesetzen" ermittelt, teilte die Disziplinkommission der Partei mit. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua stellte keinen direkten Zusammenhang mit dem Unglück her, doch war der 61-Jährige bis Mai 2012 Vizebürgermeister von Tianjin. Kommentatoren meinten, es sei "kein Zufall", und verwiesen auf seine Karriere in staatlichen Öl- und Chemieunternehmen hin, die ihn nach Tianjin führte.

Wegen des Ausmaßes der Zerstörungen und der Verärgerung im Volk hat sich der Umgang mit dem Unglück zu einem Test für die kommunistische Führung von Staats- und Parteichef Xi Jinping entwickelt, meinten Kommentatoren. In dem Gefahrgutlager mit rund 3.000 Tonnen Chemikalien war es am späten Mittwochabend vergangener Woche nach einem Brand zu heftigen Explosionen gekommen, die schwere Verwüstungen anrichteten. 57 Menschen wurden noch vermisst. In Krankenhäusern wurden 692 Menschen behandelt, darunter 57 Schwerverletzte.

Gefährliche Materialien

Neue Fragen gab es über die Erlaubnis für Ruihai, mit gefährlichen Materialien umzugehen. Das 2011 gegründete Unternehmen hatte von April bis Oktober 2014 nur eine vorübergehende Genehmigung, aber nach Auslaufen trotzdem weiter Chemikalien transportiert. Erst im Juni dieses Jahres habe Ruihai eine neue Lizenz bekommen, mit Gefahrgütern umzugehen. Dafür sei Sicherheitsprüfung vorgenommen worden.

Zweifel gab es über eine Umfrage im Rahmen des Verfahrens, wonach 128 Anrainer angeblich ihre Zustimmung bekundet hätten. Der Entwickler des nur 560 Meter entfernten Wohngebietes wurde nach eigenen Angaben nie über die Existenz des Chemielagers informiert.

Verschmutztes Wassers am Unglücksort soll abgepumpt und behandelt werden, um Platz für das Regenwasser zu machen. Allein in dem riesigen Krater seien "Zehntausende Tonnen" Wasser. Ein Schutzdamm werde verstärkt, um sich auf heftige Regenfälle vorzubereiten, sagte Bao Jinling.

Die Bewohner der nur eine Stunde von Peking entfernt gelegenen Metropole sorgen sich um giftige Stoffe in der Luft oder im Wasser. Die Behörden haben Messstationen eingerichtet und auch teils deutlich erhöhte Werte von giftigen Chemikalien gefunden. Doch wurde versichert, dass keine direkte Gefahr für Menschen bestehe.

Anger simmers in China, with people made homeless by Tianjin accident demanding compensation http://t.co/S6V9hX778rpic.twitter.com/iNoDB352mh

— AJE News (@AJENews) 18. August 2015


Die Aufräumarbeiten in dem riesigen Trümmerfeld mit herumgewirbelten Containern, ausgebrannten Häusern und versprengten Chemikalien kamen nur langsamer als erwartet voran. Bergungstrupps mit Spezialisten brachten bis Montagabend rund 150 Tonnen gefährlicher Materialien in Sicherheit, wie Vizebürgermeister He Shushan berichtete. Ursprünglich hatten Beamte einen großen Teil von 700 Tonnen giftigen Natrumcyanids in versprengten Behältern einsammeln und abtransportieren wollen.

Insgesamt 3.000 gefährlicher Materialien waren in dem Gefahrgutlager, darunter 800 Tonnen Ammoniumnitrat und 500 Tonnen Kaliumnitrat, die ebenfalls stark toxisch und brandfördernd sind. Beide werden auch zur Herstellung von Schießpulver beziehungsweise Sprengstoff benutzt.

Early estimate puts Tianjin insurance loss at $1.5B https://t.co/V82AI4YOE6

— Scott M Modlin (@SovAdjEast) 18. August 2015


Nach Ansicht der Ratingagentur Fitch könnten die versicherten Schäden aus der Explosionskatastrophe höher ausfallen als bisher angenommen. Sie könnten die Marke von 1,5 Milliarden Dollar übersteigen, teilte die Agentur am Dienstag mit. Die Finanzkraft einiger regionaler Versicherer in China könne dadurch untergraben werden. Zu den besonders stark in der Region engagierten Versicherern gehört demnach unter anderem Ping An. Die Großbank Credit Suisse hatte die versicherten Schäden auf bis zu 1,5 Milliarden Dollar geschätzt.