Fürchterlich, erschreckend, desaströs, grausam – eindeutig fallen die Analysen auf die Leistungen des SK Sturm in den bisherigen zwei Frühjahrsspielen aus. Gegen Mattersburg und den WAC gab es jeweils 0:1-Niederlagen – inklusive Darbietungen, die eines Tabellenzweiten nicht würdig sind. Doch woran liegt es, dass es unter Neo-Trainer Heiko Vogel noch nicht läuft?

Bei seiner Vorstellung betonte der Deutsche, dass er eine funktionierende Mannschaft übernehme und nur an einigen Stellschrauben drehen möchte. Ein guter Ansatz. Immerhin brauchte Vorgänger Franco Foda jahrelang, bis das Werkl im vergangenen Herbst so richtig rundlief. Und doch wollte Vogel den Grazern seine eigene Handschrift verpassen. Das klappte in der Vorbereitung sehr gut. Starke Leistungen gegen Dynamo Kiew und Basel ließen den Eindruck entstehen, dass die Mannschaft innerhalb kürzester Zeit den Vogel-Fußball verinnerlichen könnte.

Volles Risiko geht nicht auf

In der ersten Stresssituation, dem Ligaspiel gegen Mattersburg, war die Mannschaft dazu nicht in der Lage. Trotz einiger Ausfälle trieb Vogel den Radikalumbau an die Spitze. Er zog sein 4-1-4-1 durch, schwächte die Viererabwehrkette, indem er Dario Maresic ins defensive Mittelfeld stellte, und warf mit Thomas Schrammel gleich einen Neuzugang in die Startelf. Dazu rochierte er die Mittelfeldflügel auf die jeweils gegengesetzte Seite. Das, was im Training gut funktionierte, ging im Spiel schief. Schon diese Woche ruderte Vogel zurück, ging von seinem Experiment, die Außenverteidiger im Spielaufbau ins defensive Mittelfeld einrücken zu lassen, ab. Das hatte mit der Spielanlage des WAC zu tun, weil man den Kärntnern über die Flügel wehtun wollte. Es blieb bei der Idee.

© GEPA pictures

Keineswegs angebracht ist es, dem Trainer nach zwei Spielen die alleinige Schuld am Status quo zu geben. Immerhin gibt es mehrere Problemfelder, die zur jetzigen Situation geführt haben. Da wäre einmal die gestiegene Erwartungshaltung. Mit den Verstärkungen im Winter hat man das klare Signal gesetzt, Salzburg heuer die Meisterschaft abluchsen zu wollen. Mit dem im Herbst erlangten Selbstbewusstsein wäre das sicher ein erwünschter Entwicklungsschritt. Im Personalbereich fehlt aber die Geschlossenheit.

Selbstüberschätzung

Dass Sturms Mannschaftsärztin zwei Tage vor Meisterschaftsstart das Handtuch wirft, ist bestimmt kein Zufall. Dazu ziehen sich die Vertragsverhandlungen mit einigen Spielern wie Kaugummi. Trotz verbesserter Angebote seitens Sturm wird spielerseitig gefeilscht. An und für sich kein unmoralischer Akt. Allerdings sollten sich manche daran erinnern, dass sie in der oft zitierten Sturm-Familie eine Chance erhalten haben, als sie sich auf dem Abstellgleis befanden. Im Herbst haben sie ihre Marktwerte gesteigert. Aber ganz und gar nicht, weil ihre individuelle Klasse derart gut wäre, sondern weil sie Teil einer Mannschaft waren, die als Einheit agiert hat. Mit den aktuellen Leistungen vermitteln gewisse Akteure den Eindruck, als ob sie sich für die nächste Station schonen möchten.

© GEPA pictures

Anstatt Größenwahn walten zu lassen, wäre eine gewisse Demut angebracht. Gewisse Parallelen mit dem österreichischen Nationalteam bei der EM 2016 sind nicht von der Hand zu weisen. Die Spieler sollten schnellstens wieder über ihre Grenzen gehen. Der Trainer sollte vorerst den Stecker in Bezug auf zu viel Innovation ziehen, um sich selbst Druck zu nehmen und den Klub in ruhigere Zeiten zu führen. Denn eins darf nicht vergessen werden: Sturm ist Zweiter, mit neun Punkten Vorsprung auf den Dritten Rapid.