Lange hat es gebraucht, aber jetzt hat es Österreichs längst dienender Parteichef doch in die Regierung geschafft. Heinz-Christian Strache wird Vizekanzler, eine erstaunliche Karriere für den ehemaligen Zahntechniker, der in jungen Jahren ganz am rechten Rand angesiedelt war. Doch der FPÖ-Obmann hat in den vergangenen Jahren auf verschiedenen Ebenen Lernfähigkeit bewiesen.

Ein wenig paradox ist, dass Strache wohl vor allem deshalb der Einzug ins Vizekanzleramt gelingt, weil er bei der Nationalratswahl nicht jenen Sieg eingefahren hatte, der ihm vor ein, zwei Jahren noch sicher schien. Denn einen FPÖ-Chef zum Kanzler hätten wohl weder ÖVP noch SPÖ gekrönt.

Mit Selbstbewusstsein in die Koalitionsverhandlungen

Am Papier mag der dritte Platz für die Freiheitlichen beim Urnengang am 15. Oktober ein wenig enttäuschend ausgesehen haben. Doch war das Ergebnis gut genug, um mit Selbstbewusstsein in Koalitionsverhandlungen einzutreten, umso mehr, als sich mit der SPÖ für die Blauen eine neue Alternative aufgetan hatte. Strache und sein Umfeld nutzten das geschickt, um sowohl inhaltlich als auch vor allem personell einiges mehr herauszuholen, als ihnen so mancher zugetraut hatte.

Freilich muss die Partei und damit ihr Chef auch einiges an Kreide speisen. Bekenntnisse zur EU gehörten bisher nicht unbedingt zu Straches Kanon, der ganz im Gegenteil seine Freiheitlichen in die europakritische Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" unter anderem mit der französischen Rechtsextremen Marine Le Pen geführt hatte. Auch den Widerstand gegen das Handelsabkommen CETA musste Strache einbremsen, um die Stornierung des allgemeinen Rauchverbots in der Gastronomie zu erreichen. Das Ende der Kammer-Pflichtmitgliedschaft haben die Freiheitlichen ebenfalls nicht durchgebracht.

Eigene Forderungen rückten teils in den Hintergrund

Letztlich war der Wunsch Straches, nach zwölf kraftraubenden Oppositionsjahren auch einmal ans Gestalten zu gehen, wohl größer, als bei der Umsetzung eigener Forderungen allzu pingelig zu sein. Immer nur in der eigenen Partei anschaffen zu können, dürfte dem 48-Jährigen ein wenig langweilig geworden sein. Dass der für ausländerfeindliche Politik bekannte Strache für Regierungsfähigkeit nicht nur Inhalte opfern muss, war dem früher manchmal jähzornigen End-Vierziger in den vergangenen Jahren klar geworden.

Sein Auftreten in den letzten Wahlkämpfen war deutlich gemäßigter als in jungen Jahren. Rhetorisch hat der FPÖ-Chef erstaunlich zugelegt. Strache brillierte in den Duellen mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Noch-Kanzler Christian Kern zwar nicht, er fiel jedoch auch nicht ab. Selbst langjährigen FPÖ-Kritikern wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen lieferte Strache keine Ausrede, ihn als Vizekanzler zu verhindern.

Dabei ist die Vergangenheit des FPÖ-Chefs nicht unproblematisch. In jungen Jahren dockte Strache, der von seiner Mutter alleine groß gezogen wurde und ein Internat besuchte, am ganz rechten Rand der Republik an. Im Haus von NDP-Gründer Norbert Burger ging Strache, der mit dessen Tochter liiert war, ein und aus. Fotos von Waldspielen belegten, dass der heutige FPÖ-Chef früher zumindest wehrsportübungsähnlichen Beschäftigungen nachging. Auch den eigenen Reihen war der vormals jüngste Bezirksrat Wiens (im Bezirk Landstraße) nicht ganz geheuer, schon gar nicht Jörg Haider.

Wege der beiden Alphatiere trennten sich in Knittelfeld

Der langjährige Obmann der Freiheitlichen hatte Straches Aufstieg mit Argusaugen verfolgt. Auch wenn Strache beim von Haider orchestrierten legendären Delegiertentreffen von Knittelfeld, das Schwarz-Blau I zu einem zwischenzeitlichen Ende brachte, dabei war, trennten sich die Wege der beiden Alphatiere alsbald. Als Haider 2005 das BZÖ gründete und den Großteil der Parteiprominenz mitnahm, stand Strache früher und in anderen Umständen als gewollt im Rampenlicht. Gerade erst zum Wiener FPÖ-Chef gekürt, war der junge Mann der letzte Strohhalm, an den sich das verbliebene Häufchen klammerte.

Während viele den Freiheitlichen den Untergang voraussagten, schaffte es Burschenschafter Strache mit einer kleinen Gruppe Vertrauter die FPÖ zu stabilisieren, während das BZÖ unaufhaltsam seinem Ende entgegenschritt. Nahezu bei allen Wahlen auf Bundes- und Landesebene konnte die FPÖ seit Beginn von Straches Obmannschaft zulegen, auch wenn es immer wieder für ihn lästige Konkurrenz aus dem eigenen Lager gab. Am Höchsten ging es in Wien, wo Russland-Freund Strache vor zwei Jahren zwar das Duell mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) klar verlor, aber doch beachtliche 30,8 Prozent einstreifte.

Imagepflege

Der FPÖ-Chef schonte sich bei seinem mühseligen Karriere-Weg nicht. Auch wenn sein musikalische Talent nicht ausgeprägt ist, war er sich nicht für diverse Wahlkampf-Raps zu gut, Disco-Touren gehörten über viele Jahre zu Straches Standard-Repertoire. Diese Zeiten sind inzwischen vorbei. Speziell seit er mit Moderatorin Philippa verheiratet ist, gibt der Vater von zwei Kindern aus einer früheren Ehe lieber den Romantiker und lebt ein mehr oder weniger gemütliches Vorstadt-Leben ohne allzu viel Blitzlicht-Gewitter.

Überhaupt ist Strache entgegen seinem lange gepflegten Image kein "wilder Hund". In der eigenen Partei gilt er sogar als harmoniesüchtig. Dies hielt ihn und seine Getreuen wie Generalsekretär Herbert Kickl oder Norbert Hofer freilich nicht ab, in den vergangenen Jahren parteiinterne Kritiker wie Ewald Stadler oder Karl Schnell rasch abzumontieren, wenn sie lästig zu werden drohten.

Früherer Fußballer

Derzeit führt der talentierte Ex-Kicker Strache ein geeintes Team an, nicht die schlechteste Voraussetzung für eine Regierungstätigkeit, die ob des Rollenwechsels bei Wahlen auch den ein oder anderen Rückschlag bringen könnte. Sollte es in der Regierung gut laufen, ist nicht auszuschließen, dass Strache gestützt auf die ÖVP 2020 noch einmal einen Versuch starten könnte, den Posten des Wiener Bürgermeisters zu erklimmen.

Zur Person: Heinz-Christian Strache, geboren am 12. Juni 1969 in Wien, zwei Kinder aus erster Ehe, verheiratet. Gelernter Zahntechniker. Ab 1991 Mitglied der Bezirksvertretung (Bezirksrat) von Wien-Landstraße, ab 1993 Bezirksparteiobmann der FPÖ Wien-Landstraße, 1996-2006: Wr. Landtags-Abgeordneter, seit 2004 Landesparteiobmann der FPÖ Wien, seit 2005 FPÖ-Bundesparteiobmann, seit 2006 Klubobmann des FPÖ-Parlamentsklubs, ab Dezember 2017 Vizekanzler.