Europas Währungshüter stemmen sich gegen die Rekordinflation im Euroraum. Die Notenbank hat für ihre Sitzung am (heutigen) Donnerstag in Frankfurt eine weitere Anhebung der Leitzinsen in Aussicht gestellt. Als wahrscheinlich gilt eine erneute kräftige Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte. Die Entscheidungen des EZB-Rates werden am Donnerstagnachmittag (14.15 Uhr) bekannt gegeben.

Die Euro-Währungshüter hatten bei ihrer Sitzung am 21. Juli erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder angehoben. Ein weiterer Schritt erfolgte am 8. September. Der EZB-Rat beschloss erstmals in der Geschichte der Notenbank eine Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte. Damit stieg der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, auf 1,25 Prozent.

Damit findet heuer auch der Weltspartag am 31. Oktober 2022 erstmals seit längerer Zeit wieder unter dem Eindruck steigender Zinsen statt. Für Jubel sorgt dies allerdings kaum, denn auch wenn es für Sparerinnen und Sparer wieder Zinsen gibt, ist die Inflation um ein Vielfaches höher, weshalb das Ersparte am Sparbuch real weniger wert wird.

Einfluss ist begrenzt

Die EZB kann die hohe Inflation einer aktuellen Studie zufolge mit steigenden Zinsen aber nur in begrenztem Umfang bekämpfen. "Gegen einen großen Teil der aktuellen Inflation ist die Geldpolitik derzeit machtlos", heißt es in einer Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), aus der die Nachrichtenagentur "Reuters" zitiert.

Demnach werde der für die Berechnung der Teuerungsrate herangezogene Warenkorb zu mehr als der Hälfte (51,9 Prozent) aus eher von der Angebotsseite beeinflussten Gütern bestimmt. Deren Preissteigerungen seien auf gestiegene Energie- und Rohstoffkosten und unterbrochene Lieferketten zurückzuführen. "Gegen diese Bestimmungsfaktoren der Inflation hat es die Geldpolitik schwer, da sie vor allem auf die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wirkt", so die IW-Autoren Markus Demary und Jonas Zdrzalek.

Restriktive Geldpolitik dennoch wichtig

Hinzu komme, dass der Warenkorb zu 56,9 Prozent von sogenannten nicht-handelbaren Gütern bestimmt werde. Dazu zählen Wohnungsmieten, die mit einem Gewicht von 21 Prozent den Verbraucherpreisindex dominieren. Sie seien zuletzt nur um 1,6 Prozent gestiegen wegen des großen Anteils an Bestandsmieten. Da Mieten kein Inflationstreiber seien, "sind hier auch kaum disinflationäre Effekte durch höhere Zinsen zu erwarten", so das IW.

Trotzdem hält das IW eine restriktive Geldpolitik für wichtig. "Denn sie muss die Inflationserwartungen stabilisieren, um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, welche die sehr persistenten Inflationsraten für nachfragebestimmte Güter für längere Zeit hochhalten könnte", heißt es in der Studie. Aktuell liegt die Teuerungsrate in der Eurozone mit 9,9 Prozent auf einem Rekordhoch. Die EZB strebt einen Wert von zwei Prozent an. Um die Inflation zu bekämpfen, hat sie im Sommer ihre Nullzinspolitik beendet. Am Donnerstag dürfte sie den Leitzins erneut um 0,75 Punkte auf dann 2,0 Prozent anheben.

Kritik an Geldpolitik kommt aus Italien

Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat in ihrer ersten Rede vor dem Parlament unterdessen die EZB kritisiert. Die Zinserhöhung im Juli – die erste der Notenbank seit elf Jahren – war "eine Entscheidung, die viele als gefährlich betrachteten und die riskiert, die Bankkredite an Familien und Unternehmen zu treffen".

Die Zinserhöhungen und der Stopp der Anleihenkäufe "haben zusätzliche Schwierigkeiten für solche Mitgliedsstaaten geschaffen, die wie wir eine hohe öffentliche Verschuldung aufweisen", führte sie aus. Italien ist nach Griechenland das am stärksten verschuldete Euroland. Die Verbindlichkeiten machten Ende 2021 etwa 150 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.