In Großbritannien wird die Regierung immer kreativer, um dem Mangel an Lkw-Fahrer Herr zu werden. Nicht nur ist das Militär in Bereitschaft, Justizminister Dominic Raab hat sogar vorgeschlagen, Häftlinge als Lkw-Fahrer einzusetzen. Wie berichtet fehlen Lkw-Fahrern nicht in England, auch in Österreich sind rund 8000 Stellen unbesetzt.

Der Bericht darüber sorgte in der Vorwoche bei Betroffenen für Aufregung. Zahlreiche Fahrer meldeten sich bei der Kleinen Zeitung, viele unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Offen sprechen kann Johann Rottensteiner, da er bereits in Pension ist. 40 Jahre lang saß er im Führerhaus eines Lkw. "Was viele vergessen: Der Lkw-Fahrer ist ja nicht nur fürs Fahren zuständig, sondern muss auch beim Be- und Entladen mitarbeiten."

Viele Arbeitsstunden

Das führe zu einer enormen Belastung, klagt ein anderer Fahrer und erzählt von 250 Stunden pro Monat und manchen Wochen mit mehr als 80 Stunden. Weniger arbeiten sei aber schwer möglich, da der Grundlohn mit 9,6 Euro pro Stunde brutto einfach zu gering ist.  "Für diese Bezahlung geht ein Junger nicht mehr arbeiten", fasst er zusammen. Zumal ja auch der Lkw-Schein teuer sei.

Auch sei der Job des Lkw-Fahrers nicht hoch angesehen. "Wir werden als Vollidioten dargestellt, dabei gäbe es ohne uns keine Waren in den Regalen der Geschäfte", ärgert er sich. Ein anderer Fahrer beklagt die schlechte Planbarkeit. "Wenn man jung ist und eine Familie hat, ist es schon hart, wenn man nicht sagen kann, wann man überhaupt heimkommt."

Fahren unter Schmerzen

Der niedrige Grundlohn räche sich in der Pension, erzählt Rottensteiner. Vielen bleibe nur eine Mini-Pension. Dazu kämen die gesundheitlichen Probleme. "Ein Thema sind Fahrersitze, die nicht mehr in Ordnung sind." Das sei eine große Belastung für den Rücken. Und wenn Fahrer dann Schmerzen haben, ist es auch schwierig, einen Arzt zu finden. "Man kann mit dem Lkw nicht einfach vor die Praxis fahren."

Eine Aufgabe, der sich der Verein Docstop widmet. "Der Zugang zu einer ordentlichen medizinischen Grundversorgung sollte für Jeden möglich sein", erklärt dazu Jarno Bor von Service24, dem österreichischen DocStop-Partner. Und tatsächlich seien Rückenschmerzen eines der Hauptprobleme, mit denen sich Lenker melden. Der Verein organisiert einen Parkplatz für den Lkw, regelt Transport zum Arzt und besorgt bei Bedarf Medikamente, welche die Fahrtüchtigkeit nicht einschränken. "Denn ein Berufsfahrer mit Schmerzen kann im Straßenverkehr ungewollt zu einem Risiko werden", sagt Bor.

Keine Fürsprecher

In den Gesprächen ist herauszuhören, dass die Fahrer das Gefühl haben, von der Gesellschaft vergessen worden zu sein. Selbst von der für sie zuständigen Verkehrsgewerkschaft Vida fühlen sie sich nicht vertreten. "Es gibt niemanden, der sich mit den Problemen der Fahrer beschäftigt", sagt einer der Fahrer.

"Das zu hören, schmerzt durchaus", sagt Karl Delfs, Sprecher für den Fachbereich Straße bei der Verkehrsgewerkschaft Vida. "Das Grundgehalt ist zu niedrig", bestätigt der Gewerkschafter. "Es ist eine Sünde der Vergangenheit, dass der Kollektivvertrag der Lkw-Fahrer vor allem auf Zulagen aufgebaut." Denn genau hier gäbe es Schwierigkeiten, wie die Erhebungen der Gewerkschaft zeigen. "Bei 50 Prozent der Fahrer gibt es Probleme mit der Auszahlung der Zulagen."

Oberstes Ziel der Gewerkschaft sei daher ein Anheben des Grundgehalts. "Fahrer müssen auch ohne Zulagen von ihrem Gehalt leben können." Ein weiteres Thema liegt Delfs am Herzen, das auch das Image des Jobs betreffe. So gäbe es zu wenig WC und Duschgelegenheiten auf den Autobahnen. "160 Millionen Euro Dividende hat die Asfinag an den Staat gezahlt. Für 40 Millionen Euro könnte man WC und Duschen bauen, damit die Fahrer und Fahrerinnen nicht auf Dixi-Klos müssen."

Drakonische Strafen

Für die Frächter ist das Einkommen hingegen nur ein Teilaspekt des Fahrermangels, sagt Günther Reder, Branchensprecher in der Wirtschaftskammer. Und auch wenn längere Arbeitseinsätze in der Branche vorkommen, stellt Reder klar: "Rund 89 Prozent Transporteure sind nur in Österreich unterwegs. Hier gelten die österreichischen Arbeitszeitbestimmungen."

Durch den digitalen Tachometer gäbe es eine sehr klarer und strenge Aufzeichnung. Hier beklagen die Fahrer allerdings die drakonischen Strafen, die Lenker schon wegen ein paar Minuten Überschreitung zahlen müssen. Auch Reder sieht die Probleme mit dem System, das ja für den grenzübergreifenden Güterverkehr entwickelt wurde. "Vor allem bei Bagatell-Übertretungen kann man nur an die Behörden appellieren, hier nicht zu stark zu strafen."

Wie dramatisch das Nachwuchsproblem inzwischen ist, zeigt eine  aktuelle Umfrage. "Rund 41 Prozent der Lkw-Fahrer in Österreich sind älter als 51 Jahre. Aber nur 6,8 Prozent der Fahrer sind jünger als 30 Jahre." Reder hofft, dass nun auch in Österreich die Dringlichkeit des Fahrermangels erkannt wird.

Suche nach neuen Ideen

Wie in Großbritannien wäre auch in Österreich das Bundesheer in der Lage, einzuspringen. "Aber nur als allerletzte Reserve", sagt Michael Bauer, Pressesprecher des Verteidigungsministeriums. Viele Soldaten und Grundwehrdiener würden über einen Lkw-Führerschein verfügen und das Heer könne auch Lkw-Fahrer ausbilden.

Dass in Österreich Soldaten irgendwann den Job der Lkw-Fahrer übernehmen müssen, wollen die Frächter jedenfalls vermeiden, sagt Reder. Politik und Sozialpartner müssten nun Ideen entwickeln, wie der Beruf attraktiver werden kann. "Und zwar zusammen mit den Fahrern", sagt Reder. Denn "ohne Lkw-Lenker kann auch der Transport-Unternehmer keine Dienstleistung mehr anbieten."