Die Liste wird immer länger – 550 Mitarbeiter bei der Voestalpine in Kindberg und Kapfenberg, 360 bei der ATB in Spielberg, 180 bei der Andritz AG, 100 bei Magna Powertrain, 2300 bei MAN in Steyr, 650 bei FACC in Ried, 1000 bei Swarovski in Wattens . . . und in Graz muss nun ein weiteres Paradeunternehmen im Sog dieser Krise einen Mitarbeiterabbau vermelden.

In einer Videobotschaft teilte AVL-Unternehmenslenker Helmut List seiner Belegschaft mit, worüber schon seit Längerem spekuliert worden war. Auch der Grazer Weltmarktführer wird vor dem Hintergrund der düsteren Konjunkturkulisse nicht um einen Personalabbau herumkommen. Rund fünf Prozent der Grazer Belegschaft – insgesamt arbeiten gut 4000 der weltweit 11.500 AVL-Beschäftigten am Stammsitz – werden betroffen sein. Unternehmenssprecher Michael Ksela bestätigt auf Anfrage der Kleinen Zeitung, dass bis Jahresende bis zu 220 Mitarbeiter abgebaut werden. Für AVL ist das eine völlig neue Situation, der Antriebsstrangentwickler hat in den vergangenen Jahren ein immenses Wachstumstempo vorgelegt. Allein im Vorjahr sind am Standort Graz 300 Mitarbeiter neu eingestellt worden – binnen sieben Jahren wurden am steirischen Stammsitz 1000 neue Beschäftigte aufgenommen.

„Der nunmehr notwendig gewordene Abbau trifft uns sehr und ist auch sehr ungewohnt, wir sind es gewohnt, in die andere Richtung zu gehen“, so Ksela. Vor allem coronabedingt sei die globale Auftragslage in der Autoindustrie aber verhalten. Trotzdem sollen Zukunftsfelder wie u. a. Elektrifizierung, Hybrid- und Batterietechnologien sowie das autonome Fahren gestärkt werden. Auch die seit gestern gültige neue Kurzarbeitsregelung werde man wieder in Anspruch nehmen, so Ksela. Eine Zahl könne man hier aber noch nicht nennen.

"Arbeitsmarktkrise wird uns noch länger beschäftigen“

„Ich rechne damit, dass die Zahl der steirischen Betriebe in Kurzarbeit weiter sinken wird und im November unter 2000 liegen dürfte“, heißt es indes von Karl-Heinz Snobe, Chef des AMS Steiermark, zur Gesamtentwicklung im Bundesland. Firmen, die sich auch für die dritte und bis Ende März anberaumte Phase der Kurzarbeit interessieren, können diese ab heute über das digitale AMS-Konto beantragen.

Aktuell haben 2674 Betriebe für knapp 45.000 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Ebenso viele Steirerinnen und Steirer sind beim AMS als jobsuchend vorgemerkt. Ein Wert, der noch immer um mehr als 20 Prozent über der Zahl des Vorjahrs liegt. Immerhin: Im direkten Vergleich mit dem Vormonat registriert man einen Rückgang von 3173 Personen. Weiter sinkend sind aber auch die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten und die Zahl der beim AMS vorgemerkten offenen Stellen.

„Die Arbeitsmarktkrise wird uns noch länger beschäftigen“, macht Karl-Heinz Snobe deswegen keinen Hehl aus einer düsteren Prognose. Positiv bewertet der AMS-Chef dafür den gestrigen Start der „Corona-Arbeitsstiftung“: „Es ist sinnvoll, wenn Arbeitslose aus der Krise klüger herauskommen, als sie hineingegangen sind. Wer sich beruflich weiterbilden will, bekommt eine Qualifizierungsberatung.“

Wie die steirischen Betriebe selbst wirtschaftliche Perspektiven und das neue Kurzarbeitsmodell sehen? Der Geschäftsführer der steirischen Industriellenvereinigung, Gernot Pagger, etwa geht davon aus, dass all jene Produktionsbetriebe die Kurzarbeit weiter in Anspruch nehmen, „bei denen eine entsprechende Perspektive vorhanden ist und man von künftigen Steigerungen ausgeht, aber dort, wo Kapazität und Auslastung auch im Ausblick nicht zusammenpassen, ist Kurzarbeit das falsche Instrument“. Insgesamt sei das Modell in seiner Ausgestaltung aus seiner Sicht „okay, die Qualifizierungskomponente ist richtig und wichtig“.

Erreichbarkeit globaler Märkte bleibt großes Problem

Man müsse aber davon ausgehen, dass es in der steirischen Industrie weiterhin zu personellen Anpassungen kommen werde. „Wir befinden uns in einer schwierigen Phase, auch wenn es branchenmäßige Unterschiede gibt, die Stimmungslage nicht einheitlich ist, zählen Industriebetriebe zu den Hauptbetroffenen dieser Krise“, so Pagger. Vielfach seien die Auftragspolster mittlerweile abgearbeitet, die Akquise von Neuaufträgen gestalte sich herausfordernd, „vor allem die Erreichbarkeit internationaler Märkte ist noch immer eines der größten Probleme von uns“.

Im Produktionsbereich sind derzeit 4208 Arbeitslose beim steirischen AMS vorgemerkt, das ist um rund ein Drittel mehr als noch vor einem Jahr. Demgegenüber stehen knapp 800 offene Stellen, um gut ein Fünftel weniger als noch Anfang Oktober 2019.