"Einzelhandel und Dienstleistungen werden von einer neuen Wirtschaftsordnung geschluckt werden.“ Es ist eine starke Ansage, die Wijnand Jongen gelassen niederschreibt.

Nicht genug damit, dass der Online-Boom im Handel keinen Stein auf dem anderen lässt, sieht der Zukunftsforscher aus den Niederlanden im kommenden Jahrzehnt noch größere Veränderungen auf Händler und Konsumenten zukommen. Im April publizierte Jongen mit Rainer Will, dem Chef des Handelsverbandes, die Österreich-Edition seines Bestsellers „Das Ende des Online-Shoppings“.

Daraus einige wichtige Thesen, wie sich die Einkaufswelt verändern soll:

Online, Offline, Onlife

Hinter dem provokanten Buchtitel steckt freilich mehr. Mit „neuer Wirtschaftsordnung“ meint Jongen die Verschmelzung von online und offline, daraus würde „onlife“. Diesen Begriff prägte der italienische Philosoph Luciano Floridi, Vorsitzender einer europäischen Denkfabrik, die sich mit den Folgen der digitalen Revolution beschäftigte.

Das Einkaufen werde für den Verbraucher zu einem „ausgewachsenen Onlife-Erlebnis werden“, bei dem es keine Rolle mehr spiele, ob es Online- und Offline-Vertriebskanäle gebe, so Jongen. Denn sie würden sich „ineinander verschlingen“ und die Grenzen zwischen Branchen und Geschäftsfeldern zusammenbrechen. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts würden Handelshäuser und Dienstleister traditionelle Geschäftsmodelle aufgeben und als „Connected Stores“ Inspiration, Präsentation und Service bieten.

Interaktive Technologie

24-Stunden-Ladenkonzepte und intelligente Apps würden es Konsumenten erlauben, alles, was ihnen im Alltag begegnet, zu scannen und zu kaufen. Der Kunde könne den Kauf, den er online (zu Hause oder unterwegs) begonnen habe, wahlweise auf der Einkaufsstraße „oder online im Laden abschließen. Damit steht das Ende des Online-Shoppings in der Tat vor der Tür.“

Sogenannte All-in-One-Apps seien bereits Vorzeigebeispiele für den Onlife-Handel, der Aufwärtstrend interaktiver Technologien würde online und offline zusammenführen.

Wijnand Jongen
Wijnand Jongen © Jongen

Online-Riesen eröffnen Shops

Es ist kein Widerspruch, dass Online-Giganten wie Amazon, Alibaba oder Zalando in den stationären Handel gehen. Flagshipstores und Pop-up-Stores oder Shop-in-Shops erfüllen unterschiedliche Zwecke, aber alle seien Teil des „neuen Einkaufserlebnisses“ – der Trend dahin werde sich noch verstärken.

Die Aldifizierung oder die ständige Erweiterung des Sortiments von Händlern und Dienstleistern ist nicht neu, werde aber ebenfalls zunehmen. Beispiele: Diskonter wie Hofer verkaufen auch Reisen, Kleidung, Spielzeug, Zalando etwa auch Kosmetikprodukte.

"Alle Kanäle werden eins"

Die Grenzen der Marktplätze werden verschwinden, denn künftig verkauft jeder an jeden. Einerseits erschließt die Sharing Economy neue Kanäle, andererseits gehen Marken und Großhandel in den Direktvertrieb. „Alle Kanäle strömen zusammen, um eins zu werden“, sagt Jongen. Unternehmen werden dadurch neue Rollen übernehmen und Handel, Technologie, Logistik und Dienstleistung zusammenbringen müssen.