Das aktuelle Tief bei den Milchpreisen ist für viele österreichische Bauern existenzbedrohend, weil die Einnahmen nicht mehr die Kosten decken. "Das Jahr 2016 wird wie 2009 eine Durststrecke", sagte der Agrar-Ökonom Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zur APA. Auch im Jahr 2001 und 2005 habe es derartige Preistiefs gegeben. Mit einem Milchbauernsterben rechnet der Ökonom nicht.

Sinabell erwartet keine "beschleunigten Strukturentwicklung, weil die Betriebe das durchtauchen können". Die Situation am Milchmarkt sei derzeit "hart", werde sich auf absehbare Zeit aber wieder verbessern. Vor der Liberalisierung des EU-Milchmarktes mit Abschaffung der Milchproduktionsquoten Ende März 2015 lag die längerfristige Milch-Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bei rund 35 Cent/kg. Damals waren die Konjunkturabkühlung in China, der Ölpreiseinbruch und das Russland-Embargo noch nicht voll eingerechnet. Auch Sinabell rechnete damals nicht damit, dass die Preisrückgange "so massiv" werden.

Berg- und Talfahrt

Die Milchpreis-Entwicklung gleicht in den vergangenen Jahren einer Berg- und Talfahrt. Der konventionelle Milchpreis erreichte einen Höhepunkt im Jänner 2008 mit 40,5 Cent/kg. Der Milchpreis wird von den Molkereien traditionellerweise in Kilogramm abgerechnet. Im Zuge der Wirtschaftskrise 2008/09 stürzte der Preis in Österreich auf 25 Cent im Juli 2009 ab. Wütende Proteste der Milchbauern folgten. Dann kletterte der Milchpreis bis Anfang 2014 wieder auf 42 Cent und schmierte wieder ab. Im Jahr 2015 sank der Preis für konventionelle Milch mit 3,7 Prozent Fettgehalt seit Jahresanfang von 32,1 auf 31,1 Cent/kg (ohne Steuern) am Jahresende. Im Sommer lag der konventionelle Milchpreis im Schnitt bereits unter 30 Cent. "Eine leichte Reduktion der Kosten für Kraftfutter und Energie konnte diesen Preisrückgang allerdings bei weitem nicht kompensieren", schreiben die Agrarmarktexperten im AMA-Marktbericht. Die heimischen Bauern lieferten 2015 mit 3,1 Mio. Tonnen um 1,3 Prozent mehr Milch als im Jahr davor.

Die heimischen Milchbauern erhalten ab März nur mehr zwischen 27 Cent und 29 Cent für konventionelle Milch von den großen österreichischen Molkereien. Für besondere Entrüstung bei den Bauern hat das kürzlich beschlossene Quotensystem bei der Gmundner Milch geführt. Bei einer höheren Anlieferungsmenge als im Vorjahr erhält der Milchbauer von der Gmunder Molkerei nur mehr zwischen 23 und 25 Cent anstatt 27 Cent pro Kilogramm.

Höhere Kosten in den Alpen

Die aktuellen Milchpreise seien "kaum noch kostendeckend für viele Betriebe", so Sinabell. Die kleinstrukturierte österreichischen Milchwirtschaft hätte in den Alpen und im Grünland deutlich höhere Kosten im Vergleich mit großen Betrieben in anderen EU-Staaten. Die Aufrechterhaltung der Betriebe sei "nur möglich", weil es Förderungen im Rahmen der Ländlichen Entwicklung der EU-Agrarpolitik gebe. "Es ist überraschend, dass sich die Segmente mit hoher Qualität so viel besser halten", so der Wifo-Ökonom. Im Jahr 2015 lag der Preis für Biomilch laut AMA im Schnitt bei 42,4 Cent/kg, also um 10 Cent höher als konventionelle Milch. Wenn mehr Bauern auf Qualitätsattribute wie Gentechnikfreiheit, Heumilch und Bio setzen, die einen höheren Milchpreis bringen, dann werde aber auch "dieser Vorsprung geschmälert", erklärte der Agrar-Ökonom.

Der Präsident der Vereinigung Österreichischen Milchverarbeiter (VÖM) und Chef der Kärntner Milch, Helmut Petschar, hatte kürzlich im APA-Gespräch mit Verweis auf die hohe Qualität der österreichischen Milchprodukte an den Handel, die Gastronomie und die Konsumenten appelliert, zu heimischen Waren zu greifen. "Letztendlich ist die Politik gefragt. Wichtig wäre ein Aus des Russland-Embargos, um eine entsprechende Entlastung zu finden."