Die Autofahrer freut es: Ein Fass Öl der Nordsee-Sorte Brent kostet derzeit mit knapp 50 Dollar im Vergleich zum Vorjahr nur noch die Hälfte und macht Benzin damit deutlich günstiger. In der erfolgsverwöhnten Ölbranche steigt dagegen die Nervosität. Es wird nicht nur schwieriger, wie bisher Milliarden zu verdienen - zum Teil müssen die Konzerne kräftig sparen, um überhaupt ihre Ausgaben zu decken.

"Der Ton hat sich verändert", stellt Shell-Chef Ben van Beurden fest. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht. "Die Ölpreise werden noch länger niedrig bleiben", so BP-Boss Bob Dudley.

Böse Erinnerungen

In der Branche weckt das Erinnerungen an den massiven Preissturz in den 1980er-Jahren. Die großen westlichen Firmen reagieren darauf. Geplante Investitionen in Höhe von zusammen 180 Mrd. Dollar (165,4 Mrd. Euro) wurden zuletzt gestrichen. Das entspricht Experten zufolge einer Kürzung von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Betroffen sind sowohl existierende als auch neu angedachte Projekte. Tausende Stellen werden abgebaut. Verkäufe von Aktivitäten stehen an, vermutlich oft zu nicht besonders hohen Preisen, weil die gesamte Branche unter Druck geraten ist.

"Das ist wirklich eine harte Zeit für die Öl-Industrie von Aberdeen über Angola bis nach Houston", klagt BP-Chef Dudley. "Es fühlt sich an wie 1986." Damals war der Ölpreis in nur acht Monaten von rund 30 auf 10 Dollar pro Fass abgestürzt, weil die Länder aus dem Öl-Kartell OPEC und die nicht darin enthaltenen Staaten mit harten Bandagen um Marktanteile kämpften. Das Angebot wurde massiv ausgeweitet, der Preis brach ein. Die Unternehmen mussten reagieren. Laut US-Investmentbank Morgan Stanley haben die Firmen damals ihre Investitionen um fast ein Viertel zurückgefahren und ein Drittel der Belegschaft vor die Tür gesetzt. Trotzdem dauerte es Jahre, bis sich die Lage wieder besserte.

Riesige Überkapzitäten auch heute

Auch jetzt gibt es wieder riesige Überkapazitäten im Markt, weil die OPEC kräftig produziert und der Iran nach der Einigung im jahrelangen Atomstreit demnächst wohl wieder stärker exportieren darf. Die OPEC pumpte allein im Juli nach eigenen Angaben mit rund 32 Millionen Fässern täglich so viel Öl wie seit Beginn der Aufzeichnungen 1997 nicht mehr. Die Analysten von Morgan Stanley warnen deswegen, dass der Preis dieses Mal noch länger niedrig bleiben könnte.

So stehen die Zeichen weiterhin auf Sparen. Nächstes Jahr dürften die Investitionen noch einmal um 5 bis 15 Prozent gekürzt werden, schätzt die Osloer Beratungsgesellschaft Rystad Energy. Viele große Unternehmen haben ihre jüngsten Quartalszahlen bereits genutzt, um noch härtere Einschnitte anzudeuten. Bei BP brach der Gewinn zum Beispiel um fast zwei Drittel ein. Bei Exxon Mobil waren es 50 Prozent, bei Chevron sogar 90 Prozent.

Kostensenkungen in der Branche

Einige Branchenexperten betonen, unabhängig vom Ölpreis müssten die Unternehmen effizienter werden - schließlich hätten sich die operativen Kosten in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht. Analyst Jason Gammel von der Investmentbank Jefferies sagt, BP sei bei den Kostensenkungen in der Branche führend. Denn hier seien nach der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 bereits Vermögenswerte in Höhe von 45 Mrd. Dollar verkauft worden. Einen stärkeren Fokus richten die Unternehmen zudem auf die Weiterverarbeitung von Rohöl zu Treibstoffen, das sogenannte Raffineriegeschäft. Das stabilisierte zuletzt in vielen Fällen das Ergebnis.