Das Ende des Bankgeheimnisses war ein Frontalangriff auf den wichtigsten Wettbewerbsvorteil der Schweizer Banken. Als Folge zogen vor allem europäische Steuersünder Hunderte Milliarden Franken Schwarzgeld von ihren Konten in der Alpenrepublik ab. Doch zumindest die großen Geldhäuser haben den Sturm nun überstanden.

Die Vorreiterin UBS ist in der Vermögensverwaltung in Europa bereits auf einen Wachstumskurs eingeschwenkt, andere börsennotierte Institute dürften bald folgen. "Entweder sind die Banken ganz durch oder schon sehr weit", sagt Fondsmanager Thomas Braun. "Die Abflüsse werden abnehmen und am Schluss ganz versiegen." Ganz aufatmen können die Banken aber noch nicht - am Horizont zeichnet sich eine zweite Welle von Abflüssen ab.

Enorme Profite

"Fett und impotent" mache das Bankgeheimnis, klagte einst der Bankier Hans Bär. Tatsächlich bescherte die Praxis vieler vermögender Ausländer, Geld am Fiskus vorbei auf Schweizer Konten zu bunkern, den Banken dort lange Jahre enorme Profite - ohne dass sie viel leisten mussten. 2008 läuteten die US-Behörden auf der Suche nach entgangenen Steuergeldern den Angriff auf die UBS ein, Deutschland und andere Länder folgten. Das Bankgeheimnis fiel unter dem internationalen Druck und damit brach die Geschäftsgrundlage vieler Institute fast vollständig weg. Bei einer bekannten mittelgroßen Bank etwa waren einem Insider zufolge vor der Krise rund 80 Prozent der verwalteten Vermögen unversteuert.

Bis zu 400 Milliarden flossen ab

Und tatsächlich: 350 bis 400 Milliarden Franken flossen seit der Finanzkrise von Schweizer Konten ins Ausland zurück, schätzt Martin Schilling, Bankenexperte des Beratungskonzerns PwC. Ein großer Teil ging in europäische Länder wie Deutschland. Es hätte noch schlimmer kommen können. Aber die Eurokrise trieb verunsicherte Anleger in den sicheren Hafen Schweiz. Zudem floss vom wachsenden Reichtum in Schwellenländern ein Teil auch auf Schweizer Konten. Unter dem Strich konnten die Institute die Abflüsse von unversteuerten Geldern so ausgleichen.

Inzwischen haben die Abflüsse aus der Schweiz bei vielen Banken abgenommen, bei der UBS sind sie fast versiegt. Im ersten Quartal 2015 spürte der weltgrößte Vermögensverwalter erstmals deutlich, dass die Kunden mit den Steuerbehörden ins Reine gekommen sind. Das europäische Geschäft der UBS stehe am Wendepunkt zu nachhaltigen Zuflüssen, sagt auch Citi-Analyst Kinner Lakhani. Erzkonkurrent Credit Suisse (CS) rechnet ab 2016 mit deutlich geringeren Abflüssen. Die börsennotierten Schweizer Banken hätten dafür gesorgt, dass die Kunden ihre Vermögen gegenüber dem Fiskus offen legten oder die Bank verließen, sagt Fondsmanager Braun. "UBS, CS und mittelgroße Privatbanken wie Vontobel dürften die Situation schon nächstes Jahr weitgehend bereinigt haben."

Personal wieder stärker gefragt

Dass die Zeichen zumindest bei den führenden Instituten auf Wachstum stehen, beobachtet auch Stephan Surber vom Personalvermittler Michael Page. UBS und Credit Suisse seien wieder auf der Suche nach Mitarbeitern. "Die stärkere Personal-Nachfrage der Großbanken hat in den vergangenen zwölf Monaten eingesetzt." Statt auf deutsche Zahnärzte, die ein paar hunderttausend Euro in der Schweiz verbargen, setzen sie jetzt verstärkt auf Superreiche, die ihre Vermögen von mindestens 50 Millionen Franken auch deklarieren.

An solche Kunden kommen die meisten kleineren Banken nicht heran, sie sind immer noch am Kämpfen. Ihnen bleibt aber kaum etwas anderes übrig, als sich ebenfalls vom lukrativen Schwarzgeld abzuwenden. Den sinkenden Einnahmen stehen zudem steigende Kosten für die Regulierung und IT-Systeme gegenüber, die viele in existentielle Nöte bringen dürften. "Rund 150 Banken in der Schweiz haben die Vermögensverwaltung als Schwerpunkt", erklärt Berater Schilling. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es in fünf Jahren unter 100 sein werden."

Informationsaustausch ab 2018

Ganz aus dem Schneider sind aber auch die großen Banken nicht. In einer neuen Welle könnten vermehrt Vermögen von Kunden aus Schwellenländern abfließen. Denn die Schweiz hat zugestimmt, ab 2018 Kontoinformationen automatisch mit den Steuerbehörden von Dutzenden anderer Staaten auszutauschen. Dazu zählen Brasilien, Mexiko, Argentinien oder China, die weltweit zu den 25 Ländern mit den meisten Millionären gehören. "Mit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs erwarten wir weitere Abflüsse," sagt Tobias Wolf vom Beratungsunternehmen Capgemini. "Das ist eine große Gefahr für viele Schweizer Banken."