„In der Steiermark war es schlimm, in Kärnten schlimmer – in Slowenien eine Katastrophe“ – die Tage zwischen dem 6. und 8. August 2023 nehmen im Rückblick von Klaus Scheitegel eine besondere Rolle ein. Das Hochwasser hat damals allein für die Grawe zu einer Bruttoschadenslast von 27 Millionen Euro geführt, so der Generaldirektor des Grazer Versicherungskonzerns. 2500 einzelne Schäden seien in Folge aufgenommen worden. Und klar sei, „in der Langfristbetrachtung wissen wir, dass es wieder zu solchen Ereignissen kommen wird“. Die Intervalle werden kürzer, die Intensität höher. Das Wetter habe eine enorm hohe Relevanz für die Bilanz der Grawe, „dafür rüsten wir uns“, so Scheitegel. Othmar Ederer, Vorstandsvorsitzender der Grawe Vermögensverwaltung, unterstreicht: „Die Frequenz solcher Unwetterereignisse nimmt zu, wir sehen uns einer geänderten Klimasituation gegenüber“, verweist Ederer u. a. auf Starkregen, Hochwasser und Hagelschläge.

Was bedeutet das für die Prämien? Stehen Erhöhungen bevor? Scheitegel antwortet differenziert. Es sei nicht so, dass man die Aussage treffen müsse, dass beispielsweise die Sturmprämien um zehn Prozent teurer werden. Auch wenn man nichts ausschließen könne, sei man grundsätzlich eher zum Prinzip individueller Risikobewertungen übergegangen. Scheitegel verweist etwa auf neue Tools wie die interaktive Risikolandkarte „Hora“, auf deren Basis würden sich – je nach Risikoprofil – Zonen ableiten lassen, an denen sich dann auch die Prämien orientieren können.

Höchstwerte beim Ergebnis

Trotz dieser Widrigkeiten konnte die Grawe das vergangene Jahr mit kräftigen Zuwächsen beenden – sowohl in der Grawe AG, also im Österreich-Geschäft, als auch in der Gruppe (inklusive der 13 zentral-, ost- und südosteuropäischen Länder sowie der Bankengruppe). In Österreich konnte die Bilanzsumme um 7,9 Prozent auf 4,03 Milliarden Euro gesteigert werden, das Ergebnis (EGT) kletterte auf den Höchstwert von 81,7 Millionen Euro, ein Plus von 65,7 Prozent. Das Eigenkapital stieg um 6,7 Prozent – und damit erstmals über die Marke von einer Milliarde Euro, wie Scheitegel betont. Das Prämienwachstum fiel mit 15,1 Prozent auf 882,9 Millionen Euro ebenfalls beträchtlich aus – dem steht aber auch ein Leistungsplus von 18,6 Prozent auf 575,2 Millionen Euro gegenüber. Das Prämienwachstum resultiere zum einen aus wertgesicherten Verträgen (also inflationsangepasst), aber auch aus organischem Wachstum. So konnte die Kundenzahl in Österreich um 21.500 auf 611.000 hochgeschraubt werden – die Zahl der Verträge stieg um 2,9 Prozent auf 2,533 Millionen.

„Das positive Bild zeigt sich also auch im Ausland“

In der Grawe-Gruppe stiegen die Prämien auf 1,368 Milliarden Euro (plus 14,6 Prozent), die Leistungen um 16,7 Prozent auf 935,1 Millionen. Das Ergebnis (EGT) legte um kräftige 63,6 Prozent auf 172,9 Millionen Euro zu. Ederer nennt u. a. den zu 2022 deutlich erholten Kapitalmarkt im Vorjahr als einen wesentlichen Ergebnistreiber. Das Eigenkapital liegt mit plus sieben Prozent bei 1,908 Milliarden Euro. „Das positive Bild zeigt sich also auch im Ausland.“ Neben Österreich sei die Grawe insbesondere in Serbien und Rumänien kräftig gewachsen. In Rumänien, dem zuletzt am stärksten gewachsenen Markt, partizipiere man, so Ederer, nach Liquidationen früherer Marktführer an einer Neuaufteilung des Marktes. Seit 2000 sei die Grawe dort vertreten, vor sieben Jahren sei man neu ins Kfz-Geschäft eingestiegen. Mittlerweile habe die Grawe dort mehr als eine Million Fahrzeuge versichert, „das sind doppelt so viele wie in Österreich“, ergänzt Scheitegel. Für Zukäufe zeigt sich Ederer zwar offen, wenn sich eine entsprechende Gelegenheit ergeben würde, es gebe aktuell aber kein konkretes Übernahmeziel, „wir haben derzeit nichts in unserem Einkaufskorb“, so Ederer.

Ukraine? „Wir halten die Stellung“

Auch in der kriegsgebeutelten Ukraine „werden wir weiterhin die Stellung halten“, betont Ederer. Man sei dort nach wie vor operativ tätig, die Herausforderungen seien freilich nach wie vor immens. „Aber wir lassen dort niemanden im Stich, wir verlassen diesen Markt nicht.“ In der Bilanz wurde das Ukraine-Geschäft, wie berichtet, bereits vor längerer Zeit „gänzlich verarbeitet, also bilanziell völlig bereinigt“.

Turbulenzen am Immo-Markt: „Wir sind gut aufgestellt“

Und wie wirken sich die Turbulenzen am Wohnimmobilienmarkt – traditionelles Stärkefeld der Grawe – aus? Der Gesamtmarkt sei zweifellos mit Herausforderungen konfrontiert, so Ederer. „Wir sind aber gut aufgestellt.“ Der Zugang seines Hauses, als langfristiger und nachhaltiger Vermieter aufzutreten, der auf leistbares Wohnen setze, habe sich bewährt. Man verzeichne kaum Leerstand, nur jenen, der sich durch den Wechsel von Mitverhältnissen ergebe. Zudem finanziere man im Wesentlichen aus Eigenmitteln bzw. Mitteln von Kunden, „wir sind also nicht zinssensitiv“, spielt Ederer auf die Zinsentwicklung der vergangenen knapp zwei Jahre an, die viele Marktteilnehmer mit hohem Fremdfinanzierungsanteil stark belastet. Zuletzt habe man in Graz den „Styria Wohnpark“ fertiggestellt, mehr als zwei Drittel der Wohnungen habe man bereits vermietet. Beim Projekt in der Wiener Straße mit rund 220 Wohnungen warte man noch auf finale Genehmigungen, so Scheitegel. Insgesamt warte man bei Neuprojekten derzeit aber ab.