Das Spannungsfeld, in dem sich Österreichs größter Stromerzeuger Verbund bewegt, könnte kaum größer sein: Der Konzern ist mit 2,26 Milliarden Euro Gewinn im Vorjahr im Geld geschwommen, die Politik ist schon im Wahlkampf, pocht auf niedrigere Preise und viele Gesetze für die Energiewende harren noch der Umsetzung. Klarheit gibt es aber in einem Punkt: Der Rekordprofit, das erfolgreichste Jahr in der Konzerngeschichte, bleibt ein Einzelfall.

Verbundchef Michael Strugl und Finanzchef Peter Kollmann stellen schon bei der Bilanzpressekonferenz klar, dass die Gewinne heuer bei Weitem nicht mehr so stark weitersprudeln werden. Strugl betont zudem, dass das Geschäft mit den Haushaltskunden derzeit ein Verlustgeschäft ist – und zwar in „dreistelliger Millionenhöhe“, so Strugl. Preissenkungen kommen trotzdem im Sommer – wohl auch angesichts des Super-Ergebnisses und möglicherweise auch auf politischen Druck hin.

Leisten kann sich der Verbund die Senkungen natürlich. Die Republik Österreich ist umgekehrt der größte Profiteur des blendend verdienenden Energieversorgers, der aufgrund seines massiven Ausbaus erneuerbarer Energien auch in anderen EU-Ländern zu den Top 5 der Versorger in Europa aufgestiegen ist. Der Verbund überweist 90 Millionen Übergewinnsteuer an die Republik, 450 Millionen Euro reguläre Steuern und 650 Millionen Euro Dividende, der Staat ist mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer des an der Börse notierten Konzerns. Pro Aktie werden insgesamt 4,15 Euro Dividende gezahlt, davon 75 Cent als Sonderdividende.

Es waren vor allem die 2023 noch sehr hohen Preise an den Strombörsen und die höhere Produktion etwa durch die verbesserte Wasserführung vor allem der Donau, die für den extremen Gewinnschub bei einem minimalen Umsatzplus von einem Prozent auf 10,45 Milliarden Euro sorgten.

Harte Haltung beim WAG-Loop

Über die Mehrheitstochter (GCA) Gas Connect Austria, die Österreichs Gasnetz betreibt, ist der Verbund auch maßgeblich in das seit Monaten andauernde Tauziehen um den WAG-Loop involviert. Bei diesem Ausbau des Gasleitungsnetzes in Oberösterreich geht es nicht nur um die Investition als solche, sondern im Hintergrund um einen Krach darüber, über welche Tarifstrukturen künftig der Netzausbau vor allem Richtung Wasserstoff finanziert wird.

Die regulierende und bestimmende Stelle für die Netztarife, die dann auf die Verbraucher umgelegt werden, ist die E-Control. Die hatte Strugl und Kollmann zufolge einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, „der die GCA geschockt hat“. In den nächsten Wochen wird um eine Lösung gerauft werden, wobei die Verbund-Vorstände heute klarstellten, dass die künftige Investitionsfähigkeit der GCA erhalten bleiben müsse. Kollmann: „Wir möchten den WAG-Loop bauen, haben aber immer signalisiert, dass wir ein Tarifmodell brauchen, dass es der GCA ermöglicht, zu überleben.“ Man werde nicht hinnehmen, dass sie zum dauerhaften Verlustfall werde. Den E-Control-Bescheid, der ab 2025 gelten wird, bekämpfe man notfalls beim Bundesverwaltungsgericht, so Strugl im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Kollmann packte zudem den „Plan B“ aus: „Wir haben eine Alternative dazu entwickelt, die funktionieren würde. Wir würden gemeinsam mit der Republik eine Sondergesellschaft gründen.“ In die könnten auch jene 70 Millionen Euro eingebracht werden, die Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zur Mitfinanzierung des WAG-Loop zugesagt hat. Die Lösung sei sehr komplex, so Kollmann, deshalb wolle man diese Option nur ziehen „für den Fall, dass etwas eintritt, was für uns fast nicht vorstellen können oder wollen“.

Das vermeintlich kleine Problem WAG-Loop ist fast exemplarisch für das Mega-Thema in der gesamten Transformation der Energiesysteme: Wie wird der immense Ausbau der Infrastruktur finanziert, ohne Aktiengesellschaften dazu zu zwingen, Verluste zu machen, oder umgekehrt die Verbraucher mit enorm hohen Netztarifen zu belasten? „Die Netzwende fordert uns alle heraus, wie die zu finanzieren ist“, so Strugl. „Darüber wird man sich intensiv den Kopf zerbrechen müssen.“ Staatliche Beteiligungen seien eine Möglichkeit, grundsätzlich sei das ein großes europäisches Thema. Österreichs E-Wirtschaft habe bis 2030 rund 60 Milliarden Euro aufzubringen.

Der Netzausbau ist auch der größte Posten des Investitionspaketes von 5,5 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Bis 2030 will der Verbund mehr als neun Milliarden Euro in den Netzausbau lenken. Die Aufrüstung bestehender Kraftwerke ist auch noch ein Schwerpunkt: 500 Millionen Euro fließen aktuell in die Effizienzsteigerung der Anlagen. 400 Millionen Euro werden bis 2027 ausgegeben, um die Wasserkraftwerke naturverträglicher zu machen, sodass etwa Fischwanderung möglich ist. Grundsätzlich werde nach Gewinnabschöpfung und Dividende jeder Euro investiert, betont Strugl.

Gesunkene Strompreise

Die zuletzt deutlich gesunkenen Strompreise dürften noch weiter zurückgehen, nicht zuletzt, weil der Gaspreis sogar noch unter die aktuellen 25 Euro je Megawattstunde fallen dürfte. Stromkonzerne kaufen langfristig an der Strombörse ein, deshalb bestimmen auch noch etwa vor- oder vorvorjährige Einkaufspreise die Preisgestaltung gegenüber den Kunden. Gegen starke Schwankungen sichert sich der Verbund über Hedging ab. 2024 wird der Konzern viel weniger verdienen als 2023, das steht bereits fest. Die Bandbreite der Prognose spannt sich noch von 1,3 Milliarden Euro bis 1,75 Milliarden Euro.

Die Oppositionsparteien FPÖ und SPÖ nahmen die Verbundzahlen zum Anlass für Regierungsschelte, insbesondere an der Übergewinnsteuer. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut sieht eine ungerechtfertigte Bereicherung der Energieversorger.