Junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind eine hoch begehrte Ressource auf dem Arbeitsmarkt. Der Wettbewerb um diese Talente ist intensiver denn je, und die Bewerber sind dabei oft bemerkenswert selbstbewusst. Zu diesem Befund lud das Wirtschaftsforum der Führungskräfte Steiermark den renommierten Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier zur Analyse ein, welche Strategien und Maßnahmen in der Mitarbeitergewinnung erfolgreich sind. Eine Annäherung in fünf Punkten – auf der Basis von validen Zahlen und Fakten.
1. Die große Bühne
Das Subjekt produziert sich und performt. Die größte Sehnsucht des Individuums ist, sich auf großen Bühnen zu produzieren. Die Jugend produziert sich besonders gern auf digitalen Bühnen, in sogenannten sozialen Netzwerken. Hier wird Aufmerksamkeitskapital gesammelt. Heinzlmaier: „Das größte Ideal der Jugend ist es, ein Influencer zu werden. Dieser versteht es, Aufmerksamkeitskapital in ökonomisches Kapital, also Geld, umzuwandeln.“
2. Anpassungskunst
Der Like, also „Daumen hoch“, schließt jede Revolution aus. In der digitalen Welt kann man nur liken oder schweigen – andernfalls ist man, wie es Heinzlmaier spitz formuliert, „ein Hater“. Es gibt einen Wettbewerb der besseren Anpassung, Aufstieg durch Anpassung. „Oben sind die größten Anpassungsgenies, das ist der große kulturelle Wandel.“
3. Hauptsache Konsum
Revolution und Konsum schließen einander aus. Die Teuerung ist in Österreich, was sich mit Studien gut belegen lasse, das größte Problem der Menschen, auch der Jungen. Die Schlussfolgerung: Der Mensch wird hauptsächlich dann oder nur dann renitent, wenn er nicht mehr konsumieren kann. Die Risikogesellschaft, die an Aufstieg und Wachstum geglaubt hat, wurde zur Abstiegsgesellschaft: Im Schnitt glauben 70 Prozent der europäischen Eltern, dass ihre Kinder nicht den Sozialstatus der Familie halten werden können, – sie sind schon glücklich, wenn sie ihn halten.
4. Aufmerksamkeitsdefizit
Die geschilderten Veränderungen hängen mit unseren Medien zusammen. Wer in den 1960ern aufgewachsen ist, hatte einen einzigen Fernsehsender und nicht mehr als ein paar Stunden Sendezeit pro Tag. Heute gibt es ununterbrochen auf unzähligen Kanälen für jeden Interessensbereich das volle Programm. Knapp 37 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung sind Instagram-User, 63 Prozent der Generation Z – egal, wie sie formal gebildet sind. „Das ist so attraktiv, weil es dort nur Bilder gibt“, wie Heinzlmaier betont. „Die Menschen wollen nur das Bild, sie wollen sich nicht diskursiv mit etwas auseinandersetzen bzw. argumentieren.“ Und: „Wenn etwas langweilig ist, wird es weggewischt.“ Wie lange im Schnitt auf TikTok ein Video angeschaut wird, das 15 Sekunden dauert? „3 bis 4 Sekunden“, lautet die Antwort des Jugendforschers.
5. Familie hoch im Kurs
Familie steht in der Werte-Skala der Jugend ganz oben. „Auch die Entscheidung für eine bestimmte Ausbildung oder einen Studiengang wird nicht mehr von den Jungen, sondern von den Eltern oder gemeinsam getroffen.“ Sicherheit, Stabilität und Planbarkeit sind gefragt. Bei der Arbeit zählt für die Jugend ein gutes Betriebsklima. Man besinnt sich auf Heimat und Tradition. „Die guten alten Zeiten sind der Sehnsuchtsort junger Menschen, und ist alles hundertfach empirisch belegt“, sagt Heinzlmaier.
Was Unternehmer daraus ableiten können
- Jugendliche wollen dort arbeiten, wo sie eine Bühne für die Selbstdarstellung finden. „Das Unternehmen, von dem Jugendliche als Arbeitgeber am meisten fantasieren, ist Red Bull, obwohl der Arbeitsdruck dort besonders hoch ist“, sagt Heinzlmaier. Der Glimmer der Marke passt aber zur Selbstdarstellung.
- Botschaften werden am besten über Bilder vermittelt.
- Angesichts der Abstiegsängste, die die Aufstiegswünsche abgelöst haben, punkten Firmen mit sozialen Sicherheitsstandards, sozialen Garantien, neuen Freiheiten und Optionen.
- Attraktiv ist ein gutes Arbeitsklima im Betrieb und für österreichische Unternehmen lohnt es sich, darauf hinzuweisen, dass sie ein österreichisches Unternehmen sind. „Das funktioniert immer.“
- Haben junge Menschen im Unternehmen einen Ansprechpartner auch auf privater Ebene, gewissermaßen einen Firmenpsychiater, eine Ersatzmutter oder einen Ersatzvater, ist das ein Pluspunkt.