„Achtung, Paradigmenwechsel in Arbeit. Entschuldigen Sie die Unordnung“, steht auf einem Schild im Eingangsbereich der ehemaligen Kaserne in Fehring. Direkt darüber sind drei, sich überschneidende Kreise an die Wand gemalt. Christian Loy und Sarah Stoisser räumen für das Foto rasch noch ein paar Stöße Papier auf die Seite. Die beiden gehören zum Leitungskreis der Lebensgemeinschaft Cambium. Sozusagen die Chefetage.

Seit genau fünf Jahren leben hier rund 40 Erwachsene und 20 Kinder. 2019 erfolgte der Kauf des Areals. Seither wurde die Arbeit nicht weniger. Die Lebensgemeinschaft ist ein laufender Prozess mit einer gemeinsamen Vision: „Wir forschen und experimentieren, wie nachhaltiges und zukunftsfähiges Leben gemeinsam aussehen kann“, erklärt Sarah Stoisser. Wie sich das im Rückblick anfühlt? "Echt fett", sagt die Psychologin und Pädagogin lachend.

Gemeinsam leben bedeutet viele Herausforderungen

Projekte bei Cambium scheinen nicht enden wollend. Frei nach dem Motto eines bekannten Baumarkts: Hier gibt es immer was zu tun. Die enorme Entscheidungsvielfalt, wohin man Zeit und Energie stecken könnte, sei manchmal auch herausfordernd, erzählt Christian Loy mit nachdenklichem Blick. „Es ist ein ständiges Auf und Ab. Aber für mich wäre momentan keine andere Wohnform vorstellbar“, erklärt der Sozialökologe.

Das erfolgreiche Zusammenleben entsteht durch eine Form der sogenannten Soziokratie. Entscheidungen werden in thematischen Arbeitskreisen getroffen. Einmal wöchentlich trifft man sich im Plenum. Aus jedem Arbeitskreis bilden zwei Mitglieder den Leitungskreis, erklärt Sarah Stoisser. Das sei unter Umständen nicht immer reibungslos. „Wenn jemand Widerstände spürt, wird darüber gesprochen. Wir sind auch nichts anderes als ein kleiner Spiegel der Gesellschaft.“

Der Kreis im Zentrum

Der Kreis spielt bei Cambium eine zentrale Rolle. Erst kürzlich wurde sie für ihr Projekt rund um „innovative Kreislauflösungen im Haus- und Siedlungsbereich“ mit dem Nachhaltigkeitspreis bei den Vulkanland-Innovationspreisen ausgezeichnet. Während unserem Spaziergang am Gelände wird Christian Loy gebeten, mitanzupacken.

Ein Folientunnel soll im 1000 m² großen Garten umgestellt werden. Hilfsbereitschaft versteht sich hier von selbst. Gerhard Üblinger übernimmt die Begehung. Der gelernte Tischler und studierte Sozialarbeiter schätzt die vielfältigen Tätigkeiten am Standort. Wie er bei den Bauprojekten gelandet ist, weiß er selbst nicht so genau. „Sozialarbeit habe ich hier nie gemacht. Das leben wir im Alltag.“

Wissen und Erfahrungen weitergeben

Mit Stolz präsentiert er den Zubau für die neu entstandene Kreislaufwirtschaft des Projektes "Houseful". Ein vierstöckiges Hochbeet agiert als Kläranlage. Hier wird ein großer Teil des Abwassers zuerst durch Filterungsanlagen und dann durch die Pflanzen gereinigt. Damit wird wiederum der Garten bewässert. In einer kleinen Biogas-Anlage werden die organischen Feststoffe direkt vor Ort wiederverwertet. Gärreste werden kompostiert. Schon muss Gerhard Üblinger weiter zu einem Online-Termin. Es gibt immer etwas zu tun.

Inzwischen hat der Folientunnel seinen neuen Standort gefunden. 50 Prozent des Eigenbedarfs an Gemüse werden aus dem Garten gedeckt. Eine junge Dame im gelben Regenmantel und schwarzen Gummistiefeln zupft gerade Unkraut aus der leicht feuchten Erde. „Das ist gerade mein Lieblingsbeet“, sagt sie. Sylvia Hirschvogel hat die einzige, von der Gemeinschaft bezahlte Stelle bei Cambium inne: Sie ist Permakultur-Gärtnerin. Kommendes Wochenende veranstaltet sie einen ersten Boden-Workshop (siehe Infokasten).

Rund 1000 Besucher zählt Cambium im Jahr. Auch zahlreiche Klausuren, Sommercamps oder Feiern finden hier statt. Die gesammelten Erfahrungen will man teilen, sodass möglichst viele Menschen in der Region profitieren können. Denn auch darum geht es bei Cambium. Mit dem eigenen Wirken will die Lebensgemeinschaft einen Mehrwert für Region und Umwelt schaffen und so zu einer positiven Zukunft beitragen.