"Aber in Österreich gibt es doch gar keinen Rassismus": Bemerkungen wie diese hört man immer wieder. Dem gegenüber stehen 1977 Meldungen von Rassismus, die in Österreich allein 2021 erhoben und vom Verein "Zara" dokumentiert worden sind. Auch die Schwarze Kärntner Antirassismus-Trainerin Adjanie Kamucote sagt: "Österreich glaubt keine Rassismus-Probleme zu haben. Aber das stimmt nicht. Der strukturelle Rassismus, den einzelne Personen natürlich mittragen, ist schon sehr spürbar." 

Erfahrungen mit Rassismus musste die junge Frau, die in Kärnten aufgewachsen ist und mittlerweile in Graz lebt, bereits des Öfteren machen – auch wenn ihr das anfangs nicht bewusst war. "Ich bin in Villach geboren und aufgewachsen. Man kannte uns", erinnert sie sich zurück. "Da hieß es dann, dass ich eh nicht so 'schlimm' bin wie die anderen Schwarzen und ich eh dazu gehöre." Erst später habe sie realisiert, dass das kein Kompliment sei.

Schwarz- und Frausein in Österreich: "Als ob es mich nicht geben würde"

Ein anderes Beispiel: In einem Workshop hat man sie gefragt, ob sie sich in Österreich eigentlich gut integriert fühle. "Da habe ich schmunzeln müssen, weil ich bin da geboren und aufgewachsen. Inwiefern muss ich mich integrieren?!" Zum Nachdenken gebracht hat sie die Frage trotzdem. Immer wieder stößt die junge Frau in ihrem Alltag an Grenzen: "Das System lässt mich gar nicht integrieren. Ich kann zum Beispiel nicht einfach zum Bipa oder dm gehen und mir meine Haarprodukte kaufen. Die gibt es für mich einfach nicht – als ob es mich nicht geben würde."

Das zeige sich aber auch in anderen Bereichen immer wieder, beispielsweise im Bereich Bildung oder Werbung: "Wenn man nie Schwarze Menschen oder Personen of Color auf Werbeflächen sieht oder von ihnen in Büchern liest, dann kommt das auch nicht in die Köpfe der Leute. Dann werden diese Personen nicht mitgedacht – obwohl man miteinander in derselben Stadt oder im selben Land lebt."

Kamucote: "Ich bin auch nicht frei von Rassismus"

Dabei geht es Kamucote nicht um den moralischen Fingerzeig. Viel mehr appelliert die Kärntnerin, die mittlerweile in Graz lebt, dazu, sich selbst zu reflektieren – davon nimmt sie sich selbst nicht aus: "Ich bin genauso sozialisiert und geprägt worden, ich bin auch nicht frei von Rassismus. Das betrifft Schwarze Personen auch." Nicht einmal Personen, die im Antidiskriminierungsbereich arbeiten, seien davor gefeit. Umso wichtiger sei es, sich und das eigene Verhalten zu reflektieren. 

Die Villacherin Adjanie Kamucote leistet Aufklärungsarbeit zu Rassismus und Sexismus
Die Villacherin Adjanie Kamucote leistet Aufklärungsarbeit zu Rassismus und Sexismus © bjoern.b

Frauenstadtspaziergang zum Tag gegen Rassismus

Um auf (Alltags-)Rassismus aufmerksam zu machen, lädt der Verein Frauenservice Graz anlässlich des heutigen Internationalen Tags gegen Rassismus zum Frauenstadtspaziergang "Afromäßigösterreichisch - Schwarz. Weiblich*. Österreichisch". Der Verein möchte damit aufzeigen, dass Schwarze Frauen im Alltag nicht nur Sexismus, sondern auch Rassismus ausgesetzt sind. "Die Überschneidung von Diskriminierungen wird in vielen Alltagssituationen nicht wahrgenommen", so Marcella Rowek, Leiterin des Referats für Bildung- und Öffentlichkeitsarbeit. Mit dem Spaziergang wolle man dazu einladen, in die Lebenswelt Schwarzer Frauen einzutauchen.

Antirassismus-Trainerin Adjanie Kamucote wird durch den Spaziergang führen und dabei die Geschichte einer jungen Schwarzen Frau von ihrer Kindheit bis zu ihrer eigenen Mutterschaft vorlesen. Dabei ist die Protagonistin zwar fiktiv, ihre Geschichte basiert allerdings auf den gesammelten Erfahrungen tatsächlich existierender Menschen. Kamucote: "Der Rassismus, den die Frau erlebt, ist am Anfang noch subtil. Da heißt es dann: 'Mah, so ein süßes Schokobaby': Das ist rassistisch, aber wird von den Personen, die das sagen, nicht so empfunden." Von der Kindheit gehe es weiter ins jugendliche Alter, wo sich Sexismus zum Rassismus hinzugeselle: "Man merkt, dass gleichaltrige Burschen oder jüngere Männer sich denken, sie sprechen eine Schwarze jugendliche Frau an, um mit ihr intim zu werden, 'weil man hat ja vorher noch nie was mit einer Schwarzen Frau gehabt so in die Richtung'."

"Afromäßigösterreichisch"

Der Begriff "afromäßigösterreichisch" stammt übrigens aus der Feder von Adjanie Kamucote selbst. Sie definiert sich als Afro-Österreicherin, weil sie in einem angolanisch-kongolesischen Haushalt in Villach geboren und aufgewachsen ist. Auf ihrem Blog @herlife.afroe berichtet sie immer wieder aus ihrem Alltag.