Vor etwas mehr als einem Jahr gelandet und schon beim Service: In der Fliegerwerft in Aigen werden gerade die ersten beiden AW169 von Leonardo einer mehrwöchigen Jahreswartung unterzogen. Das gibt interessierten Gästen den Blick frei auf Bereiche des neuen Militärhubschraubers, die man sonst kaum zu sehen bekommt. Der dritte „Lion“ in der Halle ist hingegen flugbereit, Besucher dürfen an diesem Dienstag für einen kleinen Rundflug über das Ennstal an Bord. Das lässt sich auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nicht entgehen, es ist erst ihr zweiter Flug im Leonardo.

Grund für Tanners Stopp in Aigen, bevor es für sie weiter zum Nightrace geht: Der neue Heeres-Heli und seine Besatzung hat die erste Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht, IOC lautet das in der Fachsprache. Das ist deshalb wichtig, weil die im Ennstal stationierte Alouette III mit Jahresende ihren Einsatzbetrieb eingestellt hat (wir berichteten). Tanner spricht von einem „großen Meilenstein“, der geschafft wurde. Tatsächlich läuft die Einführung des neuen Hubschraubers bisher im Rekordtempo. Vor zwei Jahren wurde in Rom der Vertrag mit der italienischen Regierung unterzeichnet, Ende 2022 kam der erste Leonardo an, seit Jahresbeginn 2024 kann der Hubschrauber erste einfache Missionen fliegen.

Auf Kollisionskurs

1000 Flugstunden haben die zehn bislang fertig ausgebildeten Bundesheer-Einsatzpiloten mit dem neuen Arbeitsgerät mit Dienstag absolviert - unfallfrei. „Auch mit ein bisschen Glück“, wie „Chefpilot“ Brigadier Wolfgang Luttenberger einräumt. Denn der AW169 ist ein neuer Mitspieler im heimischen Luftraum, vor allem Hobbypiloten in anderen Luftfahrzeugen unterschätzen seine Flugeigenschaften wie Steigleistung, Geschwindigkeit und Allwettertauglichkeit. Zum Glück warnen Bordradar und die spezielle Sensorik des AW169 seine Piloten rechtzeitig vor möglichen Kollisionen, Vorfallsmeldungen an die Luftfahrtbehörde habe es laut Luttenberger aber dennoch einige gegeben.

Klaudia Tanner mit Brigadier Wolfgang Luttenberger (links) und Luftstreitkräfte-Kommandant Gerfried Promberger
Klaudia Tanner mit Brigadier Wolfgang Luttenberger (links) und Luftstreitkräfte-Kommandant Gerfried Promberger © KLZ / Wilfried Rombold

Fünf Leonardos der Version AW169B sind bisher beim Bundesheer gelandet, bis Ende des Jahres sollen es schon neun sein – darunter der erste AW169-AM, also jener militärische Mehrzweckhubschrauber, der auch mit Bordkanone, Lenkwaffen und Aufklärungsinstrumenten bestückt werden kann. Ende 2024 sollten die Aigener Piloten auf dem Neuen auch dasselbe Leistungsspektrum abdecken wie zuvor auf der Alouette III. Mitte Februar wird zwei Wochen lang intensiv im Hochgebirge trainiert, im Sommer stehen vor allem Nachtflüge auf dem Programm. Luttenberger bittet schon jetzt die Bevölkerung um Verständnis: „Wir werden zukünftig öfter in der Nacht fliegen. Aber der neue Hubschrauber ist viel leiser und auch schneller in der Luft.“

Unter der Schnauze des AW169 steckt enorm viel Technik
Unter der Schnauze des AW169 steckt enorm viel Technik © KLZ / Wilfried Rombold

Auch mit dem Löschwasser-Behälter werden in den nächsten Wochen probeweise erste Flüge unternommen. Der AW169 soll ja eine starke Waffe in der Waldbrandbekämpfung werden. Die leistungsfähige Außenwinde mit dem 88 Meter langen Stahlseil kam bereits zum Einsatz, die Schneebretter für Außenlandungen im Gebirge demnächst. Diese Verfahren bedeuten für Kasernen- und Staffelkommandant Oberstleutnant Udo Koller meist Neuland: „Man muss bedenken, dass wir die Ersten sind, die solche Dinge mit diesem Hubschrauber machen. Auch die Italiener, die den Leonardo selbst betreiben, haben vieles von dem noch nicht gemacht.“

Auch schlechtes Flugwetter kann dem AW169 nichts anhaben
Auch schlechtes Flugwetter kann dem AW169 nichts anhaben © HBF/CARINA KARLOVITS

Mehr Frauen im Cockpit

Auf dem Fliegerhost Fiala-Fernbrugg in Aigen werden ja zwölf AW169-AM stationiert. Im Zuge der Systemeinführung und der „Mission Vorwärts“ des Bundesheers fließen in den nächsten Jahren insgesamt 47 Millionen Euro in den Standort. Derzeit läuft noch der Wettbewerb für den großen Umbau von Tower, Mannschafts- und Technikgebäude, schon heuer könnten die Bagger auffahren. „Ende der 2020er-Jahre wird hier nichts mehr so sein wie jetzt“, umreißt Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte, die Dimension des Vorhabens. Bis 2026 sollte das Simulatorzentrum fertig sein, mit einem weiteren Simulator in Langenlebarn (NÖ) wird dann die gesamte Pilotenausbildung in Österreich stattfinden können. Schon ab diesem März läuft die komplette Fortgeschrittenen-Ausbildung im Inland. Am Ende werde man um die 80 Piloten für den Einsatz- und Schulbetrieb auf den insgesamt 36 Leonardos brauchen. „Und ich möchte unbedingt mehr Frauen im Cockpit haben“, betont Promberger. Derzeit sind es erst vier.