Das geplante Pumpspeicherkraftwerk auf der Koralm kann vorerst nicht gebaut werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die positiv ausgefallen war, überprüft und der Beschwerde von einigen Parteien stattgegeben. Damit wurde der ursprünglich positive Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung zurückgewiesen. Das teilte das BVwG am Dienstag mit.

Das BVwG hat die gegen den UVP-Genehmigungsbescheid eingebrachten Beschwerden von 17 Parteien behandelt. Es wurden "umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten" durchgeführt, Sachverständige bestellt und an mehreren Verhandlungstagen die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien erörtert. Zusätzlich wurde auch ein Lokalaugenschein im Projektgebiet durchgeführt.

"Naturverträglichkeitsprüfung nicht möglich"

Als Begründung der Abweisung wurde angeführt, dass "das Natura 2000-Gebiet Koralpe von der Steiermärkischen Landesregierung noch nicht als Europaschutzgebiet ausgewiesen wurde." Spätestens "seit Ende Dezember 2022 ist die Verpflichtung des Landes Steiermark zur Ausweisung des ESG Koralpe abgelaufen." Auch aus unionsrechtlicher Sicht liegen "die Voraussetzungen für eine Bewilligung des Vorhabens der mitbeteiligten Partei nicht mehr vor." Demnach ist "für das Bundesverwaltungsgericht unter diesen Voraussetzungen die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung nicht möglich."

Zudem liege die Erlassung der fehlenden Verordnung des Europaschutzgebiets nicht im Zuständigkeitsbereich des BVwG.
Streng genommen hätten "spätestens im Jahr 2004 alle gemeldeten Gebiete zu Europaschutzgebieten erklärt und ausgewiesen werden müssen".

"Eklatante Ermittlungsmängel"

Bei diesem Ergebnis sei auch nicht weiter darauf einzugehen gewesen, ob wegen der "offenkundig zutage getretenen eklatanten Ermittlungsmängel in zahlreichen Fachbereichen allenfalls die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Genehmigungsbescheids und (die Voraussetzungen) für eine Zurückverweisung des Genehmigungsverfahrens an die Steiermärkische Landesregierung vorgelegen wären", hieß es im Erkenntnis vom 30. Juni 2023.

Europaschutzgebiet: Meldung aus 2016 ...

Dieses Erkenntnis wird von Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ)  "selbstverständlich ohne Wenn und Aber akzeptiert." Wie es nun weitergeht? Das "hängt davon ab, ob die Entscheidung – beispielsweise vom Projektwerber - angefochten wird und damit in die nächsthöhere Instanz geht", so Lackner.

... und eine Rechtsfrage

Auf Kritik an der fehlenden Verordnung wolle sie klarstellen: "Das an die Kommission gemeldete Europaschutzgebiet auf der Koralpe stand und steht – unabhängig vom Formalakt einer Verordnung – seit der Meldung im Jahr 2016 an die EU unter strengem vorläufigen Schutz. Die Verordnung dazu ist aktuell in der Fertigstellung und wurde nicht bis Dezember 2022 erlassen, weil im Zuge der Stellungnahmen aus der Bevölkerung eine Rechtsfrage aufgeworfen wurde, die noch von externen Expertinnen und Experten geklärt werden musste."

Download 493.81 KB

Das Erkenntnis des BVwG

Masser: "Mich wundert das"

Projektwerber Peter Masser, der den Speicher gemeinsam mit Alfred Liechtenstein konzipiert hat, erfuhr am Dienstagnachmittag von der Kleinen Zeitung vom negativ ausgegangenen Verfahren. "Mich wundert das, weil wir das dortige Europaschutzgebiet ja so behandelt haben, als wäre es bereits verordnet", meinte der Forstwirt in einer ersten Reaktion. Man werde sich nun besprechen und das Erkenntnis genau in Augenschein nehmen.

Pöllinger: "Es ist für das Projekt vorbei"

Grundsätzlich steht den Projektwerbern der außerordentliche Rechtsweg zum Verwaltungsgerichtshof offen. "Zumindest am ordentlichen Rechtsweg ist es für dieses Projekt aber vorbei", sagt die steirische Umweltanwältin Ute Pöllinger. Egal, ob das Land Steiermark nun das Schutzgebiet auch formal verordnet - ein etwaiges Pumpspeicherprojekt müsse nun "von vorne in der ersten Instanz beginnen", sagt Pöllinger, die es begrüßt, "dass das Gericht die Mängel des Bescheides erster Instanz erkannt hat".

Deutschlandsberger Regionalstellenobmann Manfred Kainz
Deutschlandsberger Regionalstellenobmann Manfred Kainz © Robert Lenhard

WKO-Kainz: "Dilettanten"

Ganz anders die Reaktion der Wirtschaftskammer (WKO). Alle "wollen grünen Strom; wollen, dass wir kein Öl und Gas mehr verbrennen, aber die Politik tut alles dagegen", ist dem Deutschlandsberger Regionalstellenobmann und Unternehmer Manfred Kainz die Enttäuschung deutlich anzuhören. "Diese Dilettanten" seien "nicht in der Lage, zukunftsweisende Projekte in der richtigen Art und Weise umsetzen". Österreich würde "30 Jahre hinten" liegen, um auf den Klimawandel mit alternativen Energieformen zu antworten. 

Rechtsanwalt Georg Eisenberger, der das Projekt über Jahre begleitete und nach der Bewilligung erster Instanz wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Planerin das Mandat gekündigt hat, spricht von einem "traurigen Tag" für den Kampf gegen den Klimawandel. Die Klimawende werde nicht gelingen, wenn selbst Pumpspeicher-Kraftwerke von den NGOs, der Umweltanwältin und sogar vom Bundesdenkmalamt bekämpft werden.

Für Klubobfrau Sandra Krautwaschl war das Erkenntnis "keine Überraschung"
Für Klubobfrau Sandra Krautwaschl war das Erkenntnis "keine Überraschung" © gruene

Grüne: "Keine Überraschung"

Für Klubobfrau Sandra Krautwaschl war das Erkenntnis "keine Überraschung, so stümperhaft, wie da gearbeitet wurde". Die Grüne "war selbst bei der UVP-Verhandlung dabei. Es war auch für fachunkundige Personen klar ersichtlich, dass Gutachten zum Pumpspeicherkraftwerk Koralm massive Mängel aufweisen".
"Offen bleibt allerdings die Frage, wie derartig eklatante Mängel in der Umweltabteilung auftreten konnten. Hier hat Landesrätin Lackner erheblichen Erklärungsbedarf", so KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler.

"Überhaupt noch genug Wasser?"

Es ist "schön, dass das jetzt so geschehen ist", so der Deutschlandsberger Bürgermeister Josef Wallner. Denn "es hat sich schon abgezeichnet, wenn man an den Rechnungshofbericht über die zuständige Landesabteilung denkt. Wir waren damals eher überrascht, dass eine Baustraße durch ein Wasserschutzgebiet bewilligt worden ist." Nachsatz: "Sollte ein neuer Antrag eingereicht werden, muss man auch schauen, ob überhaupt noch genug Wasser dafür vorhanden ist." Man merke "an unseren Quellen im Bärental, dass durch den Klimawandel ein Drittel weniger Wasser vorhanden ist".
Auch Franz Silly, Bürgermeister von St. Martin im Sulmtal, ist nicht unglücklich: "Ich glaube, das war eine gute Entscheidung. Heutzutage gibt es andere Möglichkeiten Energie zu gewinnen, als ein Kraftwerk in eine unberührte Natur hineinzubauen."

Wolfgang Rehm von der NGO "Virus" nennt die Entscheidung "nach all den verfahrensrechtlichen Absurditäten bei der Landesregierung" einen "guten Tag für das Umweltrecht". Die Energiewende wäre "vom Trittbrettfahrertum eines Substandardprojektes befreit" worden.
Auch Christian Schuhböck von der Allliance for Nature ist erfreut und spricht von einem "großen Erfolg".