Fast zwei Jahre nach dem Ende Ihrer Karriere kommt eine Dokumentation mit Ihnen auch in unsere Kinos. „Aksel“ nennt sie sich. Wie kam es dazu?
Aksel Lund Svindal: Dass es wirklich ein Film geworden ist, das war fast ein wenig Zufall, wenn ich ehrlich bin. Freunde von mir, mit denen ich schon andere Projekte gemacht habe, haben 2016 einmal gefragt, ob sie mich begleiten dürfen, weil sie das alles, was da so passiert, ziemlich cool finden. Und dann ist zwischen 2016 und 2019 so viel passiert, was sie noch viel cooler fanden.

Wie darf man das verstehen?
Na ja, es sind ja viele Sachen passiert. Die waren zwar für mich eher schlecht, aber für die, die einen Film machen wollen, war das ganz anders. Die Stürze, die Verletzungen, die Operationen. Da haben sie gesagt: Da haben wir ja jetzt eine Geschichte, die richtig spannend wird. Und sie hatten über 500 Stunden an Material, da war es gar nicht so wenig Arbeit, das zu einem Kinofilm zu machen.

Wie gefällt Ihnen die Arbeit? Auch wenn man sagen muss: Es ist ja kein Schauspiel, sondern wirklich eine Dokumentation.
Es ist schon etwas anderes, als wenn du für einen Sponsor Werbung machst. Es ist sehr persönlich, ungewohnt für mich. Ich war zwar Teil der Arbeit, aber ich wollte den Film nicht machen. Es ist schlimm genug, einen Film über sich selbst zu haben.

Wie gefällt er Ihnen denn?
Ich habe ihn, um ehrlich zu sein, nur zweimal angeschaut. Und ich kann meinen Film nicht wirklich genießen. Da kommen einfach viel zu viele Erinnerungen hoch.

Was war das Ziel des Films?
Es ging darum, in jeder Situation noch enger dabei sein zu können. Noch mehr zu erleben, als man im Fernsehen sieht. Man kann hören, was wir reden, wie wir die Strategie machen, was wir funken. Und man sieht, was passiert, wenn es nicht so gut geht. Man kann verstehen, was passiert, wenn die Kameras weg sind. Einfach, wie es ist, ein Abfahrer zu sein.

Und da juckst es Sie gar nicht, noch einmal zu fahren?
Ich liebe den Sport. Und wenn es ginge, dann würde ich ihn ewig ausüben, weil er so ein toller Sport ist. Ich habe so viele gute Freunde gefunden in diesem Sport. Ich habe riesigen Respekt vor meinen Konkurrenten, denn es sind wirklich großartige Leistungen, die da erbracht werden. Das kostet Kraft, körperlich und mental. Wenn du das machst, dann zu 100 Prozent. Aber wenn du das nicht mehr machst, dann bist du froh, dass es vorbei ist. Ich bin stolz auf alles, was ich geleistet habe. Wenn du in Pension gehst, von einem Tag zum anderen, gehst du einen Schritt zurück.

Wie äußerte sich das bei Ihnen?
Du weißt, was es für Nerven benötigt, welchen Druck du am Start hast. Du kennst das Risiko eines Sturzes. In Åre, am Tag nach meiner letzten Abfahrt, wollte ich mit allen anderen aufstehen, dabei sein. Ich wollte alle Rituale mitmachen mit denen, die sich auf die WM-Kombination vorbereiteten. Aber der Unterschied war brutal. Ich war einfach nicht mehr im gleichen Modus. Deswegen tue ich mir auch so schwer, den Film anzusehen.

© Screenposter

Weil Sie dann wieder mittendrin sind?
Genau. Ich komme wieder in diesen Modus. Das ist cool, aber es kostet so viel Kraft. Dann bin ich froh, dass es erledigt ist. Und ich weiß, es war der richtige Zeitpunkt, aufzuhören. Da kommt man nicht auf den Gedanken eines Comebacks. Ich bin nach dem Film schon wirklich müde.

Wie wurde der Film in Norwegen angenommen?
Sehr gut. Die Leute haben einfach das Gefühl, live dabei zu sein. Die Jungs, die den Film gemacht haben, waren wirklich fleißig. Es hat mich zwar oft genervt, weil sie immer mitgehen wollten, aber das ist auch der Schlüssel, warum der Film funktioniert.

Haben Sie eigentlich gewisses Material verboten für den Film?
Man sieht mich zwar nach den Operationen beim Aufwachen, aber da habe ich mitunter schon ziemlichen Blödsinn geredet. Da ist es besser, dass man das im Film nicht alles sieht. Und, wenn ich das sagen darf: Was mir leidtut, ist, dass wir so wenig Bilder von mir als Kind haben, als ich Ski gefahren bin. Wir hatten damals eben keine Videokamera. Aber wir haben zum Glück Bilder gefunden.

Warum glauben Sie, ist der Film in Österreich auch anzusehen?
Weil es kein anderes Land und keinen Markt gibt, in dem Skirennsport mit so viel Interesse und Leidenschaft verfolgt wird und wo die Leute so viel wissen übers Skifahren. In Norwegen sagten alle: Das ist brutal spannend – wie ein Actionfilm. Aber es gibt eine zweite Dimension: Man lernt auch viele Sachen, die man nicht so weiß. Und das, denke ich, ist die Zukunft.

Die Zukunft des Sports?
Ja, auch. Ich liebe die Formel 1. Aber auf Netflix „Drive to Survive“ zu sehen, war cool, weil man noch mehr erfahren, vieles erst so verstanden hat. Und ich denke, man muss den Leuten mehr zeigen. Die Geschichten, die dahinterstecken, zugänglich machen, dann wird auch der Livesport interessanter. Es gibt einfach ein größeres Bild vom Skisport. Und das, glaube ich, werden die Österreicher schätzen.

Wie sehen Sie den Skisport denn generell?
Ich habe mich oft gefragt, ob es wirklich so wichtig ist. Wenn du das große Bild betrachtest und dann darüber nachdenkst, dass für uns die Welt untergeht, wenn wir eine schlechte Woche hatten. Dazu, was wir auf uns nehmen: Ich bin Abfahrt gefahren, obwohl ich davor mit meinem Knie nicht Stiegen steigen konnte, ich musste rückwärts oder seitlich nach unten gehen. Aber der Sport, die Mannschaft – das ist wie eine Familie. Und so viel Spaß, das liebe ich einfach.

Was lieben Sie denn nun?
Ich hab viel zu tun! Der Film, dann ist meine Skibekleidung gerade fertig und kommt in die Geschäfte. Dazu darf ich eine TV-Show moderieren.