Ein Sprichwort sagt, dass man aufhören soll, wenn es am schönsten ist. Ist es denn gerade am schönsten?
PETER SCHRÖCKSNADEL: Nein, das kann man nicht sagen. Das vergangene Jahr war keineswegs am schönsten, das war eher sehr schwierig. Aber vielleicht ist es ja auch deswegen ein gutes Jahr, um aufzuhören.

Warum?
Weil wir sehr erfolgreich waren, eine der erfolgreichsten Saisonen überhaupt hatten. Elf WM-Goldene, viele Siege gab es. Und, bevor die Frage kommt: Wenn elf Damen verletzt ausfallen, kann man den Nationencup nicht gewinnen.

Was bleibt von Peter Schröcksnadel?
Das weiß ich selbst nicht. Das können andere auch besser beurteilen. Tatsache ist, dass ein Verband übergeben wird, der finanziell und organisatorisch in Ordnung ist.

Und das war Anfang der 90er nicht so, oder?
Nein, keineswegs. Als wir übernommen haben, war es finanziell schwierig. Die Rennsport-Organisation oblag nicht dem ÖSV, sondern dem Skipool; die Athleten durften etwa keine ausländischen Skischuhe fahren. Es war eine schwierige Zeit, aber jedes Jahr ist es uns gelungen, etwas zu verbessern. Der Skiverband war damals nichts.

Nichts? Im Ernst?
Es war jedenfalls nicht erstrebenswert, das Präsidentenamt zu übernehmen. Die Skiindustrie hat mir zu Beginn fünf Monate gegeben. Dann ist er wieder weg, haben sie gesagt. In manchen Weltcup-Orten konnten wir nicht mehr ins selbe Hotel fahren, weil die Rechnung aus dem Jahr davor noch nicht bezahlt war. Aber ich habe solche Herausforderungen immer gemocht. Auch, wenn man mir das jetzt zum Vorwurf macht.

Was meinen Sie jetzt?
Na ja, es ist ja fast anachronistisch: Du machst etwas, das gut ist – und dann wird dir genau das vorgeworfen. Faktum aber ist: Heute ist der Job des Präsidenten doch sehr angesehen. Und auch begehrt.

„Alpen-Napoleon“, „Ski-König“, „Verbandskaiser“ – was sagen Sie zu den Beinamen, die man Ihnen schon gegeben hat?
Sagen wir so: Ich habe einmal gesagt, dass ich das Lenkrad gerne in der Hand habe, weil einer lenken muss. Tust du das nämlich nicht, wird dir vorgeworfen, dass du entscheidungsschwach bist. Aber auf die Beinamen, darauf gebe ich nichts. Darauf regiere ich nicht. Das ist keine Kategorie.

Wie würden Sie sich in der Zusammenarbeit beschreiben?
Ich bin ein loyaler Mensch, sicher kein Opportunist. Ich schicke keinen in die Wüste, wenn ich nicht weiß, dass er was gemacht hat. Ich bin Fan der Unschuldsvermutung – und solange die gilt, bin ich loyal. Wenn aber jemand was gemacht hat, dann bin ich nicht mehr gut. Dann tritt der Punkt ein, an dem man mich verarscht. Und das mag ich nicht. Da tritt dann eine andere Eigenschaft zutage.

Die wäre?
Ich will Erfolg haben. Und ich halte durch, ich gebe nicht auf, niemals. Weil wenn es wirklich schwierig wird, dann sieht man erst, ob jemand durchhält.

Schwierig war es in den 31 Jahren an der Spitze öfter, oder?
Ja, man denke nur an Turin 2006. Hätte ich da nicht durchgehalten, hätten wir den größten Skandal der Geschichte gehabt. Letztlich waren es aber nur zwei Leute, die Schuld hatten. Und alle anderen, inklusive Walter Mayer, sind vor italienischen Gerichten freigesprochen worden – wegen erwiesener Unschuld, bitteschön. Der ÖSV ist sauber aus der Geschichte gekommen, das war wichtig. Hätte ich aufgegeben, wären wir den Dopingverdacht nie losgeworden, so was hält sich hartnäckig.

Die Zahl ihrer Kritiker ist nicht erst seitdem stetig gewachsen.
Die werde ich auch nie loswerden. Aber ehrlich: Es ist vergebliche Liebesmüh’, mir was anhängen zu wollen, was Gewicht hat. Wo nichts ist, kann man nichts finden. Unterstellen, das kann man immer. Wenn sie Spaß daran haben, sollen sie das tun. Aber solange du selbst weißt, dass du nichts Falsches getan hast, ist das egal.

Können Sie über sich selbst lachen? Über Parodien etwa?
Ja, kann ich. Bei Maschek zum Beispiel. Immer lach ich da.

Zurück zur Gegenwart: In der Nachfolge-Frage wurde Ihnen massive Einmischung vorgeworfen. Stimmt das?
Das ist mein gutes Recht. Mische ich mich nicht ein, hätte ich nichts dafür getan, dass er in etwa die gleiche Kategorie wie ich hat. Und was mit Renate (Götschl, Anm.) gemacht wurde, das war nicht sauber.

Spielt Karl Schmidhofer in der richtigen Liga?
In einer, die für mich akzeptabel ist. Aber zu den Vorgängen rund um die Wahl, an denen ich sicher nicht beteiligt war, will ich mich lieber nicht äußern.

Das klingt, als ob Sie sich doch schwertun, loszulassen. Wehmut?
Nein, ich gehe ohne Wehmut. Ich bleibe dem Skisport ja verbunden. Ich bin im FIS-Vorstand und habe dort die Möglichkeit neu zu gestalten. Jetzt ist die Chance da, zu renovieren, zu reorganisieren, zu optimieren. Und ich war immer der, der aufgebaut hat, das ist viel interessanter. Im ÖSV hingegen ist alles gestaltet. Da ist nicht viel neu zu machen.

Vermissen werden Sie ...?
Die Athleten und Athletinnen, die Trainer, die Mitarbeiter im Verband. Und Frau Trojan.

Katharina Trojan war 31 Jahre Ihre Assistentin. Sie siezen einander nach wie vor. Warum?
Ja, seit 31 Jahren sind und bleiben wir per Sie. Weil wir Distanz haben müssen und wollen. Da geht’s ums Prinzip.

Viele ihrer Sager sind Kult, einige „Schröcksi-Sprüche“ sind gar legendär. Bereuen Sie welche?
Nein. Ich bin halt spontan und sage, was ich mir denke. Ich stehe dann aber auch dazu. Rückgängig machen kann man so etwas ja ohnehin nicht mehr.

Und wie ist das jetzt mit den Frauen? Sind sie ein Macho?
Im Gegenteil! Ich lasse mich auch gerne einladen. Tatsache ist: Frauen haben eine andere Sprache, das habe ich gelesen. Darauf muss man eingehen, das haben wir im Verband versucht. Damit alle die besten Möglichkeiten vorfinden, um dann Erfolge zu feiern.

Apropos: An welche Erfolge denken Sie am liebsten? Gibt es Favoriten?
Nein, keine Chance. Bei so vielen Erfolgen geht das nicht.

Und die andere Seite der Medaille? Das Leid?
Es gab die Todesfälle von Rudi Nierlich, Ulli Maier, Peter Wirnsberger II, Gernot Reinstadler ... Da habe ich gezweifelt und mich gefragt, ob ich so einen Sport unterstützen will. Aber ich wollte mithelfen, ihn sicherer zu machen. Jetzt ist es anders: So sicher, dass wir das Kasko-Problem haben: Alle riskieren voll, weil eh alles abgesichert ist. Das Netz wird retten.

Wie geht es weiter?
Ich werde mich der FIS widmen, wie gesagt – und der Krebsforschung. Da bin ich im "Board of Directors" einer Firma, die vielversprechende Resultate erzielt. Es geht um einen Marker zur Früherkennung von Krebs oder gar einem Heilmittel. Es schaut gut aus.