Als Katharina Liensberger im Ziel abschwang und den ersten Blick auf die Anzeigentafel erhaschte, da zog es ihr den Boden unter den Füßen weg. Aber nicht, weil die Landung in der Realität so hart gewesen wäre – daran gemessen hätte sich der Frühjahrsschnee im Ziel der einst olympischen Drusciè-Piste nämlich in Daunen verwandeln müssen, so weich hätte sie fallen müssen. Denn der Blick offenbarte ihr, dass sie soeben den Weltmeistertitel im Slalom eingefahren hatte. Und das vor Petra Vlhova und Mikaela Shiffrin, den Dominatorinnen dieser Disziplin, seit 2017 nur ein einziges Mal besiegt. Und diese Dominatorinnen, die hat die 23-jährige Vorarlbergerin nicht nur einfach so besiegt, sie hat sie dominiert. Genau eine Sekunde betrug der Vorsprung auf Vlhova, beinahe doppelt so viel verlor die US-Amerikanerin, die als erste fünf Mal in Folge Slalom-Weltmeisterin hätte werden können.

„Der Moment, über die Ziellinie zu fahren und eine Sekunde vorne zu sein, der ist so wertvoll“, sagte Liensberger später und wieder leuchteten ihre Augen voll Leidenschaft und Begeisterung, „weil ich genau weiß, was ich dafür getan habe. Und wie viele Menschen mich unterstützt haben.“ Noch eine Erkenntnis brachte der Moment des Triumphs: „Wenn man wirklich etwas will, dann hilft einem das ganze Universum.“ Die war nicht ganz neu, diese Erkenntnis, die war schon nach Bronze im Riesentorlauf gereift. Sie wurde maximal verstärkt.

Als Vorarlberger Sturschädel, zumindest ein wenig, gilt die 23-Jährige – in diesem Fall keine schlechte Eigenschaft. Denn die „schnelle Lernerin“ (Cheftrainer Christian Mitter) setzt Dinge eben auch beim ersten Mal um, ohne sie je trainiert zu haben. So etwa auch, erstmals als Führende in einen zweiten Slalom-Lauf zu gehen und die Nerven zu behalten. In einen Lauf, in dem es noch dazu um WM-Gold ging. „Heute war der Tag, an dem es mir gelungen ist, mich auf das zu konzentrieren, was mir so viel gibt: mit Begeisterung Ski zu fahren. Dass es für Gold reicht, ist unglaublich.“

Das, was für manche wie ein Mantra klingt, ist das Geheimnis des Erfolges. Die Kunst, einen Ablauf zu finden, der sie von Zwängen befreit. Oder, wie es Christian Mitter nüchtern ausdrückt: „Man muss einmal in die Situation kommen, um eine Medaille zu fahren – Körper, Material, Schwung müssen passen. Das ist nicht esoterisch, das ist rein physikalisch. Und in dieser Situation ist Katharina.“ Und doch war auch er beeindruckt über das Ausmaß des Erfolgs: „Das ist schon cool – was mich besonders freut, ist, dass es ein Favoritensieg war und keine Überraschung. Und weil sich jeder etwas erwartet von dir. Es freut mich, dass wir ruhig geblieben sind bei dieser WM, auch nach Woche eins.“ Die Erleichterung war spürbar. Und auch die Lust, die Abreise zu verschieben. Mitter: „An sich sollten wir heimfahren. Aber ich weiß nicht, ob ich das will.“

Katharina Liensberger jedenfalls blieb. „Ich genieße den Abend“, sagte sie. Tipps wollte sie auch nicht geben. „Die Burschen wissen, was es braucht“, erklärte sie und klimperte mit ihren drei Medaillen, die um den Hals hingen. Abschließend meinte sie, angesprochen darauf, dass sie nun zusammen mit Lara Gut die erfolgreichste Athletin der WM ist: „Superstar der WM also? Das hört sich doch gut an!“ Und sie strahlte wieder.