Die Freude war Karl „Charly“ Kahr anzusehen, als Franz Klammer von den goldenen Zeiten erzählte. Der Skikaiser malte vor dem Nightrace in Schladming farbenfrohe Bilder in die Köpfe der Zuhörer von der Furchtlosigkeit, die Kahr von seinen Abfahrern gefordert hatte. Kahr hörte zu und lächelte verschmitzt. Im letzten halben Jahr hat er das Haus kaum verlassen, der Moment im Kreise seiner „Schüler“ war selig.

Gerlinde und Charlie Kahr
Gerlinde und Charlie Kahr © GEPA pictures

Als Trainer verlangte er von seinen Athleten das Maximum, den ultimativen Einsatz. Der „Downhill-Charly“ war ungeduldig und fordernd. Er hat die Legenden seiner Zeit im Feuer geschmiedet, und der Respekt, den sie ihrem Trainer damals entgegenbrachten, war noch Jahrzehnte später in jedem Wort, in jeder Geste spürbar. Im Alter von 91 Jahren verstarb der Schladminger.

Olympisches Gold

Als Sohn eines Eisenbahners geboren, beendete er 1957 nach Verletzungen seine Karriere als Skirennläufer und wurde Trainer. Er arbeitete zunächst in der Region, dann in Deutschland und als Jugendtrainer im ÖSV. Mit den Damen feierte er seinen ersten großen Erfolg mit Gold durch Olga Pall bei den Spielen in Grenoble 1968. Die Goldene von Annemarie Moser 1970 in Gröden beschloss seine Trainerschaft bei den heimischen Damen und nach einem Intermezzo als englischer Damentrainer holte ihn Toni Sailer zu den ÖSV-Abfahrern (1972). Mit Gold durch David Zwilling (Abfahrt) und Klammer in der Kombination bei der WM 1974 in St. Moritz feierte Kahr einen perfekten Einstieg in den ÖSV-Herrensport, zwei Jahre später wurde er Cheftrainer. Eine Haube, die Brille darüber, ein „Tschick“ im Mund und das Funkgerät immer in der Hand - so sah man Kahr am Pistenrand und er war immer der Erste am Lift in der Früh. Egal, wie spät es am Vorabend geworden ist.

So stur Kahr sein konnte, so offen war er für neue Ideen und Ansätze. Er führte Windkanaltests ein und arbeitete eng mit den Universitäten Innsbruck und Graz zusammen. Er wusste früher als andere, dass es nicht nur Heldenmut, sondern auch Technik braucht, um ein guter Abfahrer zu sein. Er führte unter anderem Klammer oder Werner Grissmann von den Technikern zu den wilden Hunden. Olympiagold durch Klammer (1976) und Leonhard Stock (1980) sind weitere Leuchttürme in seiner Vita. „Zu mir kann jeder kommen und seine Meinung sagen. Aber mit meiner geht er raus“, war ein geflügeltes Wort von Kahr, der sich durch fundiertes Wissen überzeugen ließ. Nur die „Laaschatzer“, die Dampfplauderer, die brauchte er auch nach seiner Karriere nicht. 1985 hängte er seinen ÖSV-Posten an den Nagel. Eine seiner schwersten Stunden war der Tod von Sepp Walcher, dem Weltmeister von 1978, der 1984 bei einem Benefizrennen tödlich verunglückte.

Schwere Vorwürfe

Seine Expertise war im Weltcup anerkannt und sein Netzwerk ein Türöffner für die zweiten Weltmeisterschaften in Schladming 2013 nach der von 1982. Doch war nicht immer alles rosig. 2018 kamen schwere Vorwürfe wegen sexueller Nötigung gegen Kahr und auch Sailer auf. Die Ermittlungen wurden eingestellt, doch nagten die Anschuldigungen an Kahr. Auch wenn er das nie nach außen getragen und nie darüber gesprochen hat.

Charly Kahr mit Annemarie Moser-Pröll
Charly Kahr mit Annemarie Moser-Pröll © GEPA pictures

Ein Abstecher in „Charlies Treff“ gehörte jahrelang zum Pflichtprogramm am Fuße der Planai. Mit seiner Frau Gerlinde hatte Kahr eine Tochter und neben dem Skifahren war das Golfen seine Leidenschaft. Er war Mitinitiator des Golfclubs Schladming-Dachstein und auch hier lange Zeit morgens immer der Erste am Abschlag.