Lara Gut-Behrami war das, was man wohl ein „Wunderkind“ nennen würde. Als 16-Jährige feierte sie ihr Weltcupdebüt, die Erwartungen waren von Beginn an hoch. Erwartungen, mit denen sie zu kämpfen hatte – so wie mit ihrem eigenen Reifeprozess. Sie war früh mit eigenem Team unterwegs, früh sozusagen auch verantwortlich, durch Erfolge für finanzielle Sicherheit zu sorgen. Ihr Leben drehte sich um den Skisport und um Siege. „Ich hatte das Gefühl, dass ich nichts wert bin, wenn ich nicht gewinne“, offenbarte sie am Sonntag in Saalbach. Kurz davor hatte sie den zweiten Erfolg im Gesamtweltcup nach 2016 fixiert. Zwischen ihrem Debüt und dem ersten Sieg lag viel Drama, zwischen dem ersten und zweiten Erfolg eine schwere Verletzung, viel Reibungsverlust.

„Ich war mit dem Erwachsenwerden beschäftigt, da hat man nicht viel Zeit“, sagte sie, „und ich habe davor. sicher die falschen Prioritäten gesetzt.“ Gut hetzte sich selbst in die Erfolgsspirale, schaute links und rechts, habe andere kopiert, auch unbewusst. Ich habe viele Erfolge gehabt, aber mir innerlich nicht die Zeit gegeben oder die Energie gefunden, mich damit zu beschäftigen.“ So sehr war sie in der Erfolgsspirale („Nach jedem Sieg hatte ich das Gefühl, am Tag danach wieder siegen zu müssen, sonst war ich selbst am meisten unzufrieden“) gefangen, dass sie mitunter den Sinn verlor, die Lust am Skifahren.

Dann kam eine schwere Verletzung, sie fand ihr privates Glück mit der Hochzeit mit dem Schweizer Ex-Teamkapitän Valon Behrami. Und sie fand sich selbst. „Jetzt bin ich als Mensch unterwegs. Ich genieße es, dass ich die Entscheidung getroffen habe, Ski zu fahren. Und ich habe eine andere, innere Ruhe, bin mit mir im Reinen.“ Das kann sie sein: Am Sonntag fixierte sie erstmals den Sieg im RTL-Weltcup („Und der RTL ist die Basis von allem, daher ist er mir so wichtig“) und eben auch den zweiten Sieg im Gesamtweltcup. „Acht Jahre lieben zwischen den beiden Kugel, es kommt mir vor wie zwei Leben. Und dieser zweite Erfolg ist definitiv zufriedenstellender. Beim ersten hatte ich das Gefühl, die Kugel wieder in die Schweiz bringen zu müssen. Diese aber, das ist jetzt meine Kristallkugel, mein Gesamtweltcup.“