Bryce Bennett suchte nach dem richtigen Wort. Eines, das seinen Gemütszustand ausdrücken könnte, in den ihn die grüne „1“ versetzte, die im Ziel neben seinem Namen aufschien. Und das nach durchaus langer Durchstrecke. „Stoked“ meinte er dann, was man wohl mit „begeistert“ übersetzen kann. Oder besser mit: „Aus dem Häuschen.“ „Ich war total aufgeheizt“, sagte der 31-Jährige. Das konnte er auch sein, nachdem er in Gröden soeben den zweiten Sieg seiner Laufbahn gefeiert hatte. Auf der Strecke, auf der er auch vor zwei Jahren schon triumphiert hatte. Drei Hundertstelsekunden war er schneller als Dominator Aleksander Aamodt Kilde, ganze fünf als Marco Odermatt. Ein guter Grund, „stoked“ zu sein.

Bennett hat ein „Seuchenjahr“ hinter sich. Gerade einen zehnten Platz hatte es im Jahr eins nach dem ersten Sieg gegeben. Zu wenig. „Ich habe alles geändert, meine ganze Herangehensweise. Dazu hatten wir einige Änderungen bei den Trainern“, sagt der 2,01-Meter-„Riese“ aus Truckee in Kalifornien. Was er machte: „Ich bin den ganzen Sommer über Ski gefahren, habe viel und hart gearbeitet.“ Und langsam merkte der Ex-BMX-Fahrer, dass er wieder auf Touren kam. „Insofern kann ich sagen: War es eine große Überraschung heute? Nein. Aber eine Überraschung war es definitiv!“

Die US-Amerikaner sind nach wie vor in einer Trainingsgemeinschaft mit den Norwegern, insofern musste Kilde „nur“ einem Trainingskollegen den Vortritt lassen. „Mal gewinnst du, dann wirst du Zweiter. So ist das im Sport“, meinte er lächelnd, „ich meine, ich habe Marco um zwei Hundertstel geschlagen, um dann selbst um drei zu verlieren. Aber ganz grundsätzlich freue ich mich für Bryce, ein cooler Typ. Und für den Sport ist es immens wichtig, dass die US-Amerikaner Siege einfahren.“ Ganz grundsätzlich gratuliere er neidlos: „Wenn du Abfahrer bist, weißt du, was man leisten und geben muss, wie viel Risiko man eingehen muss, um vorne zu sein. Da fällt es leichter zu akzeptieren, wenn einer besser ist als du. Zumal ich heute nicht das hundertprozentige Gefühl hatte. Ich bin oben zu hart gefahren. Das darf man auf diesem Schnee nicht, ich wollte es wohl zu sehr.“

Auch Marco Odermatt konnte letztlich mit Platz drei zufrieden sein, auch wenn die zwei Hundertstel Rückstand auf Kilde wehtaten. Immerhin wartet der Abfahrts-Weltmeister damit weiter auf den ersten Abfahrtssieg im Weltcup. „Aber meine Fahrt war sehr in Ordnung, nur die Ciaslat-Ausfahrt hat nicht gepasst. Und da verlierst du dann gleich noch einmal Tempo, wenn die nicht passt.“

Zurück zu Bennett: Der holte sich das Gefühl für Kurven im BMX-Sport. Und Gröden ist ihm auf den Leib geschneidert, denn seine „Spinnenbeine“ passen sich wie gute Stoßdämpfer an den Untergrund an, speziell auf den Wellen der Ciaslat-Wiese macht er katzenartig Tempo, weil er kaum den Bodenkontakt verliert. Und was er noch hat: Leo Mussi. Der Italiener war schon bei Kristian Ghedina Servicemann und führte diesen zu fünf Siegen auf der Saslong – und manch anderen Fischer-Piloten danach. Denn vor Bennett wachselte er auch schon Steven Nyman die Ski – auch der war ja ein echter Gröden-Spezialist. Was sich Bennett nun erhofft: „Dass es so weitergeht. In Bormio, in Wengen, in Kitzbühel, in Chamonix – heuer haben wir ja wieder alle Klassiker!“

Ein Manko nach dem ersten Sieg blieb übrigens: Schon damals war seine Ehefrau nicht dabei, was Bennett 2021 sehr gestört hatte. Und diesmal? „Nein, hier ist sie nicht. Aber sie hat ganz sicher daheim zugeschaut!“