Siege in fünf Disziplinen – das haben in der Geschichte des Alpinen Skiweltcups noch nicht viele geschafft. Fünf Männer waren es, um genau zu sein, und acht Frauen. Ab dieser Saison schickt sich ein weiterer an, in diesen illustren Kreis aufgenommen zu werden: Alexis Pinturault hat sozusagen die Skilänge neu adjustiert. Der Franzose, der als Sieger von zwei Parallel-Rennen zwar auch schon in fünf Disziplinen gewonnen hat, macht sich auf, um auch in der letzten verbliebenen Disziplin Siege einzufahren: Pinturault geht auf die Abfahrt. Das große Ziel: sich nach Slalom, Kombination, Riesentorlauf und Super-G (und Parallel-Rennen) auch in der schnellsten Disziplin in die Siegerlisten zu fahren.

Die Voraussetzungen passen: Pinturault hat im Sommer „drei bis vier Kilo zugenommen“, wie er in seinem weiter immer besser werdenden Deutsch verriet. Soll heißen: Pinturault hat an Masse zugelegt, weil Gewicht für die Abfahrt wichtig ist. Und er hat die Slalomski ins Eck gestellt. „Ich habe mir im Vorjahr gedacht, dass mich das traurig machen wird. Da habe ich es, als ich schon wusste, dass es so kommen wird, aber noch keinem gesagt.“ Doch die „Slalom-Depression“ kam nicht, fast im Gegenteil: „Ich fühle mich wie ein Junger in einem alten Körper. Ich hatte eine gute Vorbereitung, ein neues Ziel. Vielleicht hilft das auch, neue Motivation zu finden.“

Und dann ist da noch etwas: Seine Ehefrau Romane legte auch an Gewicht zu – aus freudigem Grund: „Im Februar erwarten wir unser erstes Kind“, sagt Pinturault und strahlt. „Pintu reloaded“ sozusagen. Der Ästhet auf Ski, der schon 34 Siege im Weltcup zu Buche stehen hat, hat Hunger auf mehr. In erster Linie im Riesentorlauf, der nach wie vor die Nummer eins bleibt. „Ich hoffe, dass ich da um Siege und Podestplätze mitfahren kann. Deshalb hab ich mich im Sommer auch darauf konzentriert, nicht zu viel zuzunehmen.“ Pinturault ist ruhiger geworden, „vielleicht liegt das am Alter“, sagt der 32-Jährige und lacht auf. Vielleicht gab auch die heiß ersehnte Goldmedaille im Winter bei der WM in Courchevel die nötige Ruhe. Oder der Blick auf viele Vorbilder: „Kjetil Jansrud, Aksel Svindal, die sind auch aus dem Slalom gekommen und dann immer mehr in Richtung Speed gegangen. Das zeigt mir, dass es möglich ist.“ Logisch, dass auch für Pinturault gilt: „Ich möchte in meiner Karriere schon noch einen Sieg in der Abfahrt feiern. Ob ich es aber so wie Kjetil oder Aksel schaffen werde, das wird sich zeigen. Versuchen will ich es.“

Keine Topplatzierungen erwartet – vorerst

Allerdings gibt er sich Zeit, setzt sich nicht unter Druck. „Im ersten Jahr rechne ich nicht damit, sofort Topplatzierungen zu fahren. Und wenn ich das sage, meine ich einen Platz in den ersten fünf“, sagt der Gesamtweltcup-Sieger der Saison 2020/2021. „Aber ich will etwas bauen, etwas aufbauen – und immer besser werden!“

In Sölden machte er sich natürlich auch so seine Gedanken um das Thema, ob man zu früh in die Saison startet. Was Pinturault meint: „Das Rennen in Zermatt, das jetzt ansteht, das könnte man theoretisch auch im Juni fahren.“ Das würde einiges bringen.

Denn: Training in den Speed-Disziplinen geht zwar im Sommer in Südamerika, dann aber herrscht Flaute. „Das führt dann auch dazu, dass eine Nation Vorteile hat. Die Schweizer haben Saas-Fee, Zermatt und die Diavolezza. Und wenn sie es wollen, sperren sie die Gebiete für alle anderen ab, und wir können nirgendwo mehr trainieren. Also ist es wichtig, dass wir uns alle zusammensetzen und uns fragen: Wie können wir besser werden?“