Normalerweise nimmt sich Dominic Thiem nach einem Match immer rund eine Dreiviertelstunde Zeit, ehe er sich frisch geduscht auf den Weg zur Pressekonferenz macht. Doch nach seiner überraschenden 7:5, 6:4, 4:6, 3:6, 4:6-Auftaktpleite bei den French Open gegen den spanischen Außenseiter Pablo Andujar erschien der 27-Jährige gleich anschließend zur Online-PK.

Klar, der bitterenttäuschte Österreicher wollte die Fragen der Journalisten so schnell wie möglich hinter sich bringen. Und Thiem gab in der Übertragung aus dem großen Presseraum in Roland Garros auch ein Bild des Jammers ab.

Wie wohl auch alle seine Fans schien, Thiem noch nicht fassen zu können, was in den 4:28-Stunden zuvor auf dem Center Court Philippe Chatrier passiert war. Dennoch versuchte sich der Weltranglistenvierte, der bei seinem Lieblingsturnier bereits zweimal im Endspiel und zweimal im Halbfinale gestanden war, in einer Erklärung: „Ich hatte keine Power in meinen Schlägen, beim Aufschlag haben einige km/h gefehlt. Und ich habe mich auch schlecht bewegt. Ich weiß nicht warum, aber in meinem Spiel fehlen derzeit in allen Belangen ein paar Prozent“, gab sich der Niederösterreicher ratlos.

Dass er nach seinen Motivationsproblemen im Frühjahr eine 50-tägige Auszeit genommen hatte, sei die richtige Entscheidung gewesen. Dass ihm dadurch nun aber die Matchpraxis fehlt, eine logische Folge. „Aber eigentlich bin ich ja schon wieder zwei Monate zurück auf der Tour. Ich habe auch sehr hart trainiert, doch meine Topform habe ich leider noch nicht gefunden“, sagte Thiem, der zugleich betonte: „Ich habe noch nie ein Match nach einem Zweisatz-Vorsprung verloren. Aber ich habe zu defensiv gespielt, bin in alte Muster verfallen. Das Ganze ist für mich im Moment nur schwer zu verstehen. Ich muss das jetzt analysieren und schauen, was derzeit falsch läuft.“ Frühe Niederlagen hätte er schon öfter kassiert, die letzte auf Grand-Slam-Ebene 2019 zum Auftakt der US Open. „Aber das hier heute fühlt sich schon sehr verwirrend an“, sinnierte ein schwer angezählter Thiem.

Thiem stellt sein Team nicht infrage

Den Vorwurf, dass er am Platz zu wenig Biss, zu wenig Emotionen gezeigt habe, wollte Thiem nicht gelten lassen. „Ich muss keinen Schläger zertrümmern, um auf Touren zu kommen. Die Probleme liegen woanders, ich muss erst das richtige Rezept finden.“ Trotz der mittlerweile bereits hartnäckigen Krise, die mit dem Achtelfinal-Aus in Melbourne ihren Anfang genommen hat, denkt der US-Open-Triumphator 2020 („Dieser Erfolg hat etwas in mir verändert, das Ganze ist ein großer Lernprozess“) nicht daran, innerhalb seines Teams umzubauen. „Bei mir und bei meinem Trainerteam fehlt es an nichts. Es hapert nur bei meinen Matches“, sagt Thiem.

Und weiter: „Ich werde versuchen, das Ruder so schnell wie möglich wieder herumzureißen. Und die Leute, die ich um mich habe, können mir dabei perfekt helfen.“ Wie es beim Österreicher nach dem frühen Ausscheiden in Paris weitergeht? „Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Jetzt werde ich mich einmal sammeln und dann überlege ich, möglicherweise etwas früher in die Rasensaison einzusteigen.“

Damit ist Österreich bereits nach dem ersten Tag des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres nicht mehr vertreten.