Kennen Sie Benjamin Becker? Ja, genau, den deutschen Tennisprofi. Nein, nicht Boris, sondern Benjamin. Eigentlich muss einem der Name auch nicht zwingend geläufig sein, außer man ist eingefleischter Andre-Agassi-Sympathisant. So war es ausgerechnet Tennismitläufer Benjamin Becker, der 2006 in der dritten Runde der US Open als Qualifikant überraschend in vier Sätzen die herausragende Karriere des einstigen „Paradiesvogels“ aus Las Vegas beendete.

Bei allem Respekt gegenüber Herrn Becker, aber es war ein unwürdiger Schlussstrich unter Agassis Laufbahn. Dem achtfachen Grand-Slam-Sieger schwebte damals vielmehr vor, wie sein Langzeitrivale und Landsmann Pete Sampras abzutreten: Der hatte vier Jahre zuvor, wie es einen Champion gebührt, mit einem Triumph in Flushing Meadows und seinem insgesamt 14. Major-Titel seinen Hut genommen.

Doch zurück zu Becker. Nein, nicht Benjamin, sondern Boris. Der hat Agassi nun einen offenen Brief geschrieben – zum 50. Geburtstag, den die Tennislegende am Mittwoch begehen wird. „Ich konnte deine zerrissenen Jeans, deine langen gefärbten Haare und deine Ohrringe zuerst nicht ernst nehmen“, richtet „Bobele“ seinem einstigen Widersacher aus und verfasste damit eine treffende Umschreibung Agassis, der 1986 im Tenniszirkus auftauchte, bald das Image des Paradiesvogels innehatte und dieses gezielt pflegte.

Doch bestach der US-Boy auf dem Platz nicht nur mit verrückten Outfits, mit denen er den bis dahin noch stark elitär angehauchten Tennissport schockte und revolutionierte, sondern auch mit seinem brachialen Spielstil. Kaum einer massierte damals die Bälle mit Vor- und Rückhand so hart wie Agassi. Kaum einer returnierte so stark wie Agassi. Und kaum einer war so flink auf den Beinen wie Agassi. Und das, obwohl der mit seinen kleinen Trippelschritten stets Gefahr lief, über die eigenen Füße zu stolpern.

Tat er aber nicht. Dafür stolperten die Gegner reihenweise über ihn. So konnte der ehemalige Weltranglisten-Erste (101 Wochen lang) 60 Turniersiege erobern, darunter acht Grand Slams. 1999 triumphierte Agassi das erste und einzige Mal bei den French Open und schaffte damit Historisches, war der Olympiasieger 1996 damit doch der erst fünfte Spieler, der den Karriere-Grand-Slam, also den Sieg bei allen vier Majors, fixieren konnte.

Doch Tennis-Rockstar Agassi sorgte auch abseits der Center Courts für Aufsehen. Mit seiner dreijährigen Ehe mit Schauspielerin Brooke Shields brachte er 1997 als erster Tennisprofi den Hauch von Hollywood in die Spielerbox. Im Jahr 2001 heiratete er die deutsche Tennis-Legende Steffi Graf. Eine bis heute haltende Vorzeigeehe, aus der die Kinder Jaden (ein angehender Baseball-Profi) und Tochter Jaz Elle hervorgingen.

Nachdem Agassi sein Arbeitsgerät zur Seite gelegt hatte, wurde es vorerst still um den Superstar, ehe 2009 seine Biografie „Open“ erschien. Darin gestand der Amerikaner, während seiner Leistungskrise 1997 (damals war er kurzzeitig sogar aus den Top 100 der Weltrangliste geflogen) die Droge Crystal Meth konsumiert und auch eine positive Dopingprobe abgegeben zu haben. Belangt wurde er dafür jedoch nie.
In den folgenden Jahren setzte sich Agassi für benachteiligte Kinder ein, ehe er 2017 als Trainer von Novak Djokovic wieder die Tennisbühne betrat. Allerdings hielt diese „Ehe“ nur wenige Monate.

„Du warst einer der besten Spieler aller Zeiten und bist bis heute für Millionen ein Vorbild“, schreibt Becker weiter in seinem Brief und wünscht sich, Agassi würde häufiger auf der Tennis-Tour auftauchen: „Ich glaube, unsere jungen Talente können viel von dir lernen.“

Dem schließen wir uns an und wünschen Happy Birthday, Andre Agassi!