Vor fast genau einem Jahr saß Michael Gogl nach der vorletzten Etappe von Paris–Nizza im Teambus und wollte einfach nur nach Hause. Die Pandemie hatte da begonnen, alles lahmzulegen. Die Berufsradfahrer waren die Letzten, die noch ihren Sport ausübten. Nach Nizza war auch hier Schluss. Ein Jahr später steht Gogl zwar nicht bei Paris–Nizza, aber wie auch Patrick Konrad (Bora) bei Tirreno–Adriatico am Start. „Wie man es an den Rückmeldungen der Fans merkt, ist es nicht nur für uns Profis gut, dass der Hochleistungssport weitergeht“, sagt der Oberösterreicher, „es ist auch eine Abwechslung für die Leute. Brot und Spiele.“

Und bei der Rundfahrt vom italienischen Westen über den Apennin an die Ostküste sind namhafte Gladiatoren dabei: Tadej Pogačar (UAE), Wout van Aert (Jumbo), Mathieu van der Poel (Alpecin), Julian Alaphilippe (Deceuninck), Egan Bernal (Ineos), Peter Sagan (Bora), Filippo Ganna (Ineos) – Weltmeister, Grand-Tour-Sieger und Klassikerjäger sind unter den 174 Berufsradfahrern, die heute in Lido di Camaiore ins Rennen gehen. Gogl kümmert das nicht. „Auf die Startliste schaue ich nicht. Ein Spezi hat mir aufgezählt, wer am Start ist und dass es die schwierigste Auflage wird. Ich habe nur gesagt: Mir egal, wer am Start steht. Wir sehen es im Ziel“, sagt er lachend. Bei der Strade Bianche („Es war den ganzen Tag einfach nur hart“) ist er mit der Gruppe der Kapitäne gefahren und als Siebenter vor Pogačar ins Ziel gekommen. „Dadurch habe ich auch die volle Unterstützung der Mannschaft“, sagt Gogl. Somit wird aus dem einstigen Helfer bei den Klassikern der Kapitän von Qhubeka Assos: „Das ist schon ein cooles Gefühl.“

"Es wird immer härter gefahren"

Das Tempo im Radsport steigt weiter und junge Krawallbrüder setzen da immer wieder Marken. „Es wird immer härter gefahren. Das sehen auch die Zuseher: Da schenkt sich absolut keiner mehr was.“ Dennoch, im Stress des Spitzenfelds „merke ich das gar nicht. Ich sehe es an den Werten“. Die Dynamik ist aber nicht nur der Athletik geschuldet. Das Business ist hart. „Jeder weiß, dass es noch weniger Plätze gibt, wenn ein Team zusperrt. So ist jeder bis in die Haarspitzen motiviert.“ Der Radsport sei „erbarmungslos. Wenn du eine schlechte Saison hast, dann kann es gleich richtig schwierig werden“. Er selbst hat auch für kommendes Jahr einen Vertrag, „wenn die Partie weitergeht“.
Die kommenden Wochen werden aber nicht nur wegen Tirreno–Adriatico stressig: Mailand–Sanremo, Flandernrundfahrt, Paris–Roubaix und das Amstel Gold Race stehen auf dem Menüplan.

Fleisch und Fisch hat er von seiner Speisekarte gestrichen. Mit der Ausnahme von Eiern und ein wenig Käse zum Frühstück ernährt er sich rein pflanzlich – hat sogar eigene Gels und Getränke für die Rennen. „Mir tut es gut und es ist leistungstechnisch ein Vorteil für mich. Ich regeneriere dadurch einfach Weltklasse.“ Während viele Radfahrer bei einem Hungerast an fettiges und üppiges Essen denken, bleibt er da der Linie treu: „Erstens darf man gar nicht in einen reinkommen, aber wenn: Pommes.“ Da passen die Kopfsteinpflaster-Klassiker in Belgien recht gut.