Stellen Sie sich vor, Roger Federer liegt in der Tennis-Weltrangliste nur auf Platz 111. Richtig, das ist unvorstellbar. Und nun stellen Sie sich vor, Tiger Woods fristet sein Dasein in der Golf-Weltrangliste auf Platz 111. Richtig, das muss man sich nicht vorstellen, das ist eine Tatsache. Dass jener Superstar, der 683 Wochen (das sind 13 Jahre und ein Monat!) das Ranking anführte und jetzt nur noch im (für seine Verhältnisse) „Niemandsland“ herumkrebst, ist für einen Golf-Fan trotz der einiges erklärenden Verletzungen, die Woods seit seinem „privaten Exodus“ Ende 2009 hartnäckig begleiten, eine nur schwer zu akzeptierende Kost.

Tiger Woods – dieser Name steht für 14 Major-Siege (das sind hinter den 18 Titeln von Legende Jack Nicklaus die zweitmeisten) und für jenen Athleten, der als Erster der Sportgeschichte die Eine-Milliarde-Dollar-Preisgeld-Grenze durchbrach. Insgesamt 26 Golf-Rekorde, die der Ausnahmekönner im Laufe der Jahre erspielt hat, sind auf Wikipedia gelistet. Und jede dieser Bestmarken ist ein Grund, warum jedes Turnier mit der Teilnahme des mittlerweile 39-Jährigen steht und fällt. Völlig egal, ob Woods die Nummer eins oder die Nummer 111 ist. Daher war das Aufatmen der Veranstalter des Masters in Augusta auch ein riesiges, als der „Tiger“ sein Stelldichein beim ersten Major des Jahres bekannt gab. Der Bezahlsender „Sky“ berichtete aus dem Golf-Mekka vor der heutigen ersten Turnierrunde (ab 17.45 Uhr) die vergangenen Tage jeweils zwei Stunden live von der Driving-Range (!) – beliebtestes Motiv: natürlich Tiger Woods.

Im Flight mit Donaldson und Walker

Doch was kann man sich von der derzeit zahnlosen Raubkatze, die das Masters vier Mal gewinnen konnte (das letzte Mal allerdings vor zehn Jahren) und heute in einem Flight mit Jamie Donaldson und Jimmy Walker in die erste Runde abschlagen wird (Bernd Wiesberger teet bei der Österreicher-Premiere in Augusta mit Bernhard Langer und Geoff Ogilvy auf), bei ihrer 18. Teilnahme erwarten? So spielte der Freund von Ski-Ass Lindsey Vonn turniermäßig heuer erst 47 Löcher, wobei er bei den Phönix Open mit der miesesten Wettkampfrunde seiner Karriere (82) geteilter Letzter (!) wurde.

Unterm Strich kann Woods, der bei den British Open 2014 sein letztes Turnier über die volle Distanz von vier Runden spielte, also nur mit fehlender Spielpraxis, fehlender Fitness (chronische Rückenprobleme) und fehlendem Selbstvertrauen aufwarten. Und so müsste es wohl bereits als Erfolg gewertet werden, sollte der Kalifornier überhaupt den Cut schaffen. Müsste! Denn die Rede ist hier von Tiger Woods – und den darf man niemals unterschätzen.

ALEXANDER TAGGER