Es gibt wohl keinen passenderen Ort als das Computerspiel-verrückte Japan, um Jetze Plat als "Endgegner" zu bezeichnen. Der Niederländer dominiert seit mehreren Jahren den Handbike-Sport und den Paratriathlon. In Tokio hat der 30-Jährige bereits seinen Triathlon-Triumph von Rio 2016 wiederholt und er könnte einer der Stars der Spiele 2020 werden. "Ich denke, ich bin noch viel stärker als in Rio. Ich trainiere sehr hart und das genieße ich." Seine Oberarme sind imposant und so dick wie anderer Leute Schenkel. Der Torso gleicht einem massiven V.

Plat wurde in Amsterdam mit einem kürzeren linken Oberschenkel und ohne Bänder im linken Knie geboren. Dem rechten Bein fehlen Knochen,  2008 wurde ihm der rechte Unterschenkel amputiert. Schon als Kleinkind nutzte er ein Handbike, um sich fortzubewegen. "Mein größter Vorteil ist, dass ich begonnen habe, als ich fünf Jahre alt war. Meine Schultern, mein ganzer Körper ist für das Handbike gemacht und auch die Kombination mit dem Schwimmen hilft." Ein weiterer Unterschied: Andere Athleten waren erst als Folge von Unfällen behindert und haben so erst viel später begonnen, die nötigen Muskelgruppen zu formen.

Die Konkurrenten bezeichnen ihn als  "Maschine". Auf dem Fuji Speedway wird er nach Gold im Para-Triathlon auch mit dem Handbike ins Geschehen eingreifen. Da ist er im Zeitfahren (Dienstag) und im Straßenrennen (Mittwoch) der größte Gegner von Thomas Frühwirth. "Vielleicht ist dieses Mal ja Thomas mein Endgegner", sagt Plat und lacht: "Ich liebe den Kampf, vor allem mit ihm. Aber noch mehr mag ich es, wenn ich diesen Kampf gewinne."

Unter den Gehbehinderten ist Plat in seiner Heimat konkurrenzlos, daher schaut er sich immer wieder nach anderen Gegnern um, um sich zu fordern. "Ich suche auch den Wettstreit mit nicht behinderten Sportlern. Mein Bruder ist ein richtig guter Zeitfahrer auf dem normalen Rad und so haben wir uns in der Corona-Zeit oft duelliert. Das motiviert mich." Seit Rio ist Plat im Triathlon ungeschlagen und auf dem Handbike trägt er nicht zum ersten Mal das Regenbogentrikot des Weltmeisters.

Die Motivation stagniert trotz des Erfolgslaufs aber nicht. "Ich versuche jedes Jahr, mich bei gleichem Gewicht in der Leistung zu steigern. Ich brauche nicht immer ein Rennen, ich selbst und der Powermeter (Anm. Leistungsmesser) können meine größten Konkurrenten sein." Auch hier zeichnen sich Parallelen zu Frühwirth ab. "Thomas ist nicht nur ein großer Sportsmann, er hat auch eine großartige Persönlichkeit. Er liebt den Sport und ist wirklich sehr stark. Beim Ironman ist er immer noch viel schneller als ich. Auf den langen Distanzen tritt er mir in den Hintern. Mit ihm und gegen ihn Rennen zu bestreiten, ist immer lustig." Der Reiz im Duell liegt auch im mentalen Spiel mit dem Gegner und daher wird vor allem "das Straßenrennen hier sehr interessant. Beim Zeitfahren ist man alleine, da muss man einfach den Plan durchziehen."

Seine einzige Schwäche, erzählt Plat mit einem Lachen, liege abseits der Strecke: "Das soziale Leben. Da bin ich sehr schlecht. Was Geburtstage und diese Dinge angeht, bin ich immer viel zu sehr auf das Training und die Wettkämpfe fokussiert." Aber nach den Spielen habe er wieder mehr Zeit für die Freunde und die Familie. In den Souvenirshop wird er wohl nicht gehen, um Mitbringsel zu kaufen. "Da habe ich schon ein gutes", sagt er und hält das Maskottchen von der Siegerehrung etwas höher. Eines wird aber für die Familie nicht reichen. "Am besten wären drei – aber das werden wir erst sehen."