Gezeichnet steigt ein 21-jähriger Charles Leclerc am 1. September 2019 aus seinem Ferrari, ganz ohne seine Faust zu ballen oder in andere Jubelposen zu verfallen. Der Monegasse hat gerade sein erstes Rennen in der Formel 1 gewonnen und sich damit seinen größten Lebenstraum erfüllt. Der Blick wandert aber nicht etwa in Richtung Team oder Fans, sondern langsam in Richtung Himmel, zu einem seiner engsten Freunde: Anthoine Hubert. 

Es war einer der ergreifendsten Momente in der jüngeren Formel-1-Geschichte, als der Monegasse am Tag nach dem Tod Huberts das Rennen im legendären Spa-Francorchamps gewann. Die beiden waren Kindheitsfreunde, fuhren schon im Kartsport gegeneinander. Ein schrecklicher Unfall am 31. August riss das vielversprechende Formel-2-Talent viel zu früh aus dem Leben – und entfachte die Diskussion um Sicherheit im Motorsport, im Speziellen auf der legendären Strecke in Belgien, einmal mehr aufs Neue. Als dann vor wenigen Wochen mit dem erst 18-jährigen Dilano van't Hoff in der Formel-Regional-Europameisterschaft ein weiterer Fahrer an nahezu derselben Stelle nach Eau Rouge verstarb, forderten einige Fahrer sofortige Veränderungen. 

Ähnlicher Unfallhergang

Denn die beiden Unfälle waren nahezu deckungsgleich. Hubert wie van't Hoff knallten nach Raidillon in die Mauer und wurden zurück auf die Strecke geschleudert, wo sie heranrasende Autos mit mehr als 250 km/h erfassten. Zwei Unfälle, die genauso auch in der heutigen Formel 1 passieren könnten und für Fassungslosigkeit im Fahrerlager sorgten. "Es ist eine gefährliche Kurve und das sagen wir auch jedes Jahr. Es ist einfach nicht fair, was da passiert ist", sagte etwa Lance Stroll in Österreich nach dem Unfall von van't Hoff und schlug damals ähnliche Töne an wie Altmeister Fernando Alonso. "Wir können uns nicht leisten, dass so etwas noch einmal passiert."

Der Spanier beschrieb aber auch das Dilemma, da er "nicht sicher" sei, ob das die Strecke in Spa an sich das Problem ist. "Wir können unser Auto kontrollieren, aber besonders mit dem aufspritzenden Wasser bei Nässe sehen wir nichts. Wenn da ein Auto in der Mitte der Strecke steht, sehen wir es nicht. In Monza ist es das Gleiche." Die Formel 1 testet deshalb bereits neue Kotflügel, die weniger Wasser aufwirbeln sollen.

Lösungen gesucht

Doch die Schuld nur auf den Regen zu schieben, wäre zu einfach. Hubert verstarb 2019 auf trockener Strecke. Schleudert es die Fahrer nach einem Unfall von der Mauer zurück auf die Strecke, ist die Geschwindigkeit der hinterherfahrenden Autos an dieser Stelle schlichtweg zu hoch, um rechtzeitig reagieren zu können. Das ist grundsätzlich nicht nur ein Problem in Spa-Francorchamps, sondern auf mehreren Strecken im Rennkalender. Zu Saisonbeginn in Melbourne blieb etwa Alexander Albon nach einem heftigen Einschlag mitten auf der Strecke stehen und wurde von Nico Hülkenberg nur um Zentimeter verfehlt – bei Tempo 200.

Kommen alle unglücklichen Umstände zusammen, können solche Unfälle nie ausgeschlossen werden, frei nach dem Motto: maximale Sicherheit, nicht endgültige. Ob in Spa-Francorchamps aber tatsächlich die maximale Sicherheit gegeben ist, bleibt zu hinterfragen. Doppelweltmeister Max Verstappen forderte etwa mehr Platz durch Versetzen der Leitplanken nach außen. Sky-Experte und Ex-Rennfahrer Ralf Schumacher geht sogar einen Schritt weiter und sieht eine Bremsschikane vor Eau Rouge als beste Lösung.