Red Bull Racing stellte mit Max Verstappen zuletzt zweimal den Weltmeister, ist zudem Konstrukteurs-Weltmeister. Wie sehr brennt das Feuer vor der Saison 2023 noch?
HELMUT MARKO: Es sind alle voll motiviert. Wir wissen, dass wir 2022 ein tolles Auto hatten, und haben uns deshalb auf die Evolution fokussiert, um die Schwachstellen, sofern sie da waren, auszumerzen. Dabei ging es vor allem um den Gewichtsüberschuss und einige Kleinigkeiten – und all das ist eigentlich optimal gelungen.

Wie sehr stellte Sie die Strafe nach dem Überschreiten des Kostendeckels aus dem Vorjahr vor Herausforderungen?
Natürlich war das herausfordernd für uns, der größte Teil steht aber noch bevor. Denn im Laufe der Saison werden die Konkurrenten weiterentwickeln und mehrere Updates bringen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir einen sehr guten Saisonstart haben. Im Windkanal mussten wir genau selektieren. Wir sind mit einem konkreten Projekt reingegangen, das auch im ersten Versuch funktionieren musste.

Wird die Budgetobergrenze auch 2023 ein Problem sein?
Ich denke nicht. Man hat gelernt, dass die Finanzabteilungen aufgestockt werden müssen. Früher hat man in Ingenieure investiert, heute in Finanzexperten. Die wiegen genau ab, wie viel ein Teil bringt, wenn man es mit den Kosten vergleicht. Generell muss man sagen, dass die FIA das Controlling verbessert und spezifiziert hat. Im ersten Jahr gibt es ja generell oft Ungereimtheiten.

Zum ersten Mal startet Red Bull mit neuer Führungsstruktur in die Saison. Was hat sich diesbezüglich für Sie verändert?
Es ist natürlich etwas anders. Wenn ein Neuer kommt, bringt er auch immer seine eigenen Ideen mit. Aber wir sind jetzt einmal beim ersten Rennen, werden uns langsam herantasten.

Es warten weitere Veränderungen: Ab 2026 unterstützt Ford in Sachen Antriebseinheit. Was erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit und warum entschied man sich für die US-Amerikaner?
Entscheidend war, dass wir völlige Unabhängigkeit behalten – das ist gegeben. Ford hat große Motorsporttradition, viele Rennen gewonnen. Außerdem hat Ford sehr viel Know-how am Batteriesektor, arbeitet weiter intensiv in diesem Bereich, auch mit Start-ups. Ab 2026 wird zudem die Software immer wichtiger, wenn die Antriebseinheit im Verhältnis 50:50 aus Elektro und Verbrenner besteht. Sofern es überhaupt dabei bleibt.

Mit Michael Andretti und dessen Partner General Motors drängt weitere US-Power in die Formel 1. Wie stehen Sie dazu?
Es ist ja nicht nur Andretti. Mehrere bewerben sich um eine Lizenz für die Formel 1. Das wird aber schwierig bei dem Einstiegspreis. Was jetzt einmal wichtig ist: Ein Verkauf von AlphaTauri steht nicht zur Diskussion.

Apropos AlphaTauri: Yuki Tsunoda geht in seine dritte Saison. Muss ersich 2023 beweisen?
Ja, das muss er. Aber das gilt auch für Nyck de Vries. Für ihn ist es zwar die erste Saison, er hat aber in anderen Serien viel Erfahrung gesammelt, war Testfahrer. Für beide ist es eine entscheidende Saison, wenn sie in der Formel 1 bleiben wollen.

Was erwarten Sie generell von dieser Saison? Wie eng wird es?
Die Tests sind, wie immer, nicht hundertprozentig aussagekräftig. Man weiß nicht, mit welchem Motormapping und mit wie viel Gewicht die Konkurrenz gefahren ist. Tendenziell scheint Ferrari auf eine Runde gesehen konkurrenzfähig, im Rennen haben wir dank eines geringeren Reifenverschleißes aber einen Vorteil.

Abgesehen von der "Scuderia"?
Schwierig zu sagen. Aston Martin hat einen Sprung nach vorne gemacht und wenn Mercedes nicht noch etwas in der Abstimmung findet oder neue Teile bringt, könnten sie sich im Kampf um Platz drei mit Aston Martin konfrontiert sehen. Bei Alpine weiß man nicht, was sie genau gezeigt haben.

Was bleibt: Nach den Tests ist Red Bull für viele Experten abermals großer Titelfavorit ...
Wir hatten auch noch nie so ein gutes Rollout! Für Red Bull Racing war es das erste Mal, dass alles so super funktioniert hat, da kommt schon ein gewisser Hype auf. Über die Saison gesehen, wird es aber ein harter Kampf mit Ferrari. Ob Mercedes aufschließen kann, ist schwierig zu sagen. Max Verstappen ist derzeit der schnellste Fahrer, hat sich wieder extrem weiterentwickelt. Im Reifenmanagement war Lewis Hamilton bislang der Meister, dieses Handicap hat Max wettgemacht. Generell muss man sagen: Der Motor ist gut, das Chassis ist gut, der Fahrer ist exzellent.

Wie exzellent muss sich Sergio Perez präsentieren, um das Team zufriedenzustellen?
Eins und zwei in der Fahrer-WM – das ist unsere Vorgabe und unser Ziel, das haben wir noch nicht erreicht. "Checo" ist gereift und man muss ihm zugutehalten, dass er in zwei Jahren an der Seite von Max nicht zerbrochen ist. Er weiß genau, woran er ist und was er machen muss, um optimal dazustehen.

Max Verstappen will noch besser dastehen, wird während der Rennwochenenden in Europa im Motorhome an der Strecke wohnen, eigener Simulator inklusive. Wie kam es dazu?
Er ist einfach nur am Rennfahren interessiert. Andere Fahrer haben noch Verpflichtungen und Auftritte nebenbei, Max macht da nur das vorgeschriebene Minimum. Sein Fokus und seine Konzentration liegen voll auf dem Rennfahren.

Was erwarten Sie sich vom Auftakt in Bahrain?
Schwierig zu sagen, weil der Kurs nicht sehr aussagekräftig ist. Der Asphalt ist rau, der Reifenverschleiß deshalb höher als anderswo. Wie es wirklich aussieht, kann man dann nach drei, vier Rennen sagen.