Jetzt haben sie doch auf ihn gewartet, die Deutschen. Gewartet auf den Trainer Ralph Hasenhüttl, der Ingolstadt aus der Zweiten Liga in die deutsche Bundesliga geführt hat und dort für Aufsehen (am Samstag allerdings 0:1 gegen Hertha BSC) sorgt, weil der vermeintliche Fixabsteiger nach zehn Runden als Aufsteiger an der 7. Stelle steht. „Hätte ich meine Laufbahn in Österreich begonnen, wäre ich wohl nicht so rasch so weit gekommen“, sagt Hasenhüttl und lehnt sich in seinem Bürosessel im Ingolstädter Audi-Sportpark zurück. Hinter ihm erstreckt sich der Trainingsplatz. Er trägt Jeans, ein graues Sweatshirt und einen Schal. Das Büro ist nüchtern eingerichtet. Schreibtisch, drei Sessel, ein kleiner Kühlschrank. „Als ich 2007 ins Trainergeschäft eingestiegen bin, hat hier niemand auf den Ralph Hasenhüttl gewartet.“

Ein gewaltiger Rummel

Jetzt stehen sie Schlange bei dem Grazer, der sich über Unterhaching und Aalen hochgedient hat. Fernsehen, Radio, Zeitungen. Vor allem seit dem Aufstieg im Sommer ist der Rummel riesig. Expertenrunde im Bezahlfernsehen, Torwandschießen im „Sportstudio“, Gesprächsrunde im Salzburger Hangar-7. Der Zungenschlag ist längst bayrisch gefärbt, nach 15 Jahren in Deutschland kein Wunder. Aber ein paar Sätze mit Gästen aus der alten Heimat und der Grazer in Hasenhüttl kehrt an die Oberfläche zurück. „Die österreichische Mentalität hilft mir hier sicher“, sagt er. Der Schmäh, der entspanntere Zugang zum Leben, die weichere Sprache – all das ist in Deutschland gerade groß angesagt.

Der Glücksfall

„Ralph ist das Beste, was uns passieren konnte“, sagt auch Ingolstadts Sportdirektor Thomas Linke. Bei allem, was er tut, spürt man die Freude an der Arbeit. Am Trainingsgelände der Ingolstädter bleibt er gerne am Zaun stehen und diskutiert mit Kiebitzen. Nach Pressekonferenzen rauscht er nicht – wie sonst üblich – ab, sondern plaudert noch ungezwungen. Hasenhüttl ist emotional und demütig, Kumpel und Vorgesetzter zugleich. Wenn es sein muss, trifft er harte Entscheidungen. „Immer mutig, das ist mir wichtig.“ Er ist aber kein Autokrat, sondern lässt auch basisdemokratische Diskussionen zu. Dazu ist er ein Fußballfachmann, der sich kein X für ein U vormachen lässt. Jede Woche tüftelt er mit seinem Team an der Taktik, um den Code zu knacken, der zum Erfolg über den nächsten Gegner führt.

Akribie ist durchaus eine Eigenschaft, die den 48-Jährigen beschreibt. Dabei war er als Spieler komplett anders. „Ich war weder der beste Kicker noch hatte ich eine besonders professionelle Einstellung.“ Da ist es schon vorgekommen, dass er am Tag vor einem Heimspiel mit der Wiener Austria an den Neusiedler See gefahren ist und sich aufs Surfbrett gestellt hat. Erst die Zeit im Ausland hat ihm eine bessere Einstellung zu seiner Arbeit gebracht. Selten war er auch der strahlende Held, sondern oft der, der aus drei Metern über das Tor geschossen hat. Statt eines Fixleiberls musste er sich von der Ersatzbank retourkämpfen. „Das hilft mir heute im Umgang mit den Spielern, weil ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn man draußen ist.“

Qualität auf allen Ebenen

Und genau dieser Umgang zeichnet den 48-Jährigen aus. Er behandelt alle Spieler und Beteiligten im Verein mit Respekt, was in der heutigen Welt zwar gepredigt wird, aber nicht oft vorkommt. Menschenführung steht über allem. Der Vorwurf, das nur im kleinen Ingolstadt umsetzen zu können, lässt ihn nur lächeln: „Ich glaube nicht, dass ein Messi etwas dagegen hat, wenn man ihn gut behandelt. Ich weiß auch, wie sich ein Spieler fühlt, der nicht gut behandelt wird.“

Das, was der achtmalige ÖFB-Teamstürmer in Ingolstadt leistet, bleibt auch außerhalb des Vereins nicht unbemerkt. Die Fans, die bisher in jedem Spiel für ein ausverkauftes Haus im Audi-Park (15.000) sorgten, feiern ihn. Die deutsche Presse ist begeistert von seiner Art. „Ohne Ralph Hasenhüttl wäre Ingolstadt nie in die Bundesliga aufgestiegen. Das ist allein sein Verdienst“, sagen Journalistenkollegen entzückt. Zu Recht. Aus diesem mittelmäßigen Kader ein derart eingeschworenes Kollektiv zu basteln und diesen Spielstil mit einem bedingungslosen Pressing zu entwickeln, das verdient Anerkennung.
So kommt es nicht überraschend, wenn Experten Hasenhüttl viel mehr zutrauen. „Ein Europa-League-Klub wird es, wenn nicht mehr.“ Ihm selbst ist das Lob unangenehm. Aber er weiß, was er an Ingolstadt hat und dass der Höhenflug ihm zu verdanken ist. Abheben ist aber kein Thema.

MICHAEL LORBER,
KLAUS MOLIDOR