Die österreichischen Skispringer haben beim Bergiselspringen der 72. Vierschanzentournee eine Machtdemonstration abgeliefert, der ersehnte Triumph in der Gesamtwertung ist aber trotzdem in weite Ferne gerückt. Denn Hoffnungsträger Stefan Kraft kam am Mittwoch beim viel umjubelten Sieg des Salzburgers Jan Hörl vor 21.000 Zuschauern in Innsbruck nicht über einen sechsten Platz hinaus. In Bischofshofen kommt es deshalb zu einem japanisch-deutschen Duell um den Tourneesieg.

Denn Tournee-Spezialist Ryoyu Kobayashi aus Japan, Champion von 2018/19 und 2021/22, übernahm vor dem Dreikönigsspringen im Salzburger Pongau am Samstag (16.30 Uhr/live ORF 1) nach drei zweiten Plätzen mit 4,8 Punkten vor Andreas Wellinger die Gesamtführung. Der Bayer hat indes die große Chance, die schier ewige deutsche Durststrecke von 22 Jahren ohne Tourneesieg zu beenden und freut sich daher auf ein „Grande Finale“. Der deutsche Bundestrainer Stefan Horngacher ist zuversichtlich. „Er ist nicht weit weg. Der Andi kann in Bischofshofen sehr gut springen und hat alle Möglichkeiten“, sagte der Tiroler.

ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl jubelte am Bergisel unterdessen über „ein super Teamergebnis“ und feierte mit dem gesamten rot-weiß-roten Team mit einem „Bauchfleck“ hinunter in den Auslauf. Mit fünf ÖSV-Adlern in den Top Neun übernahm Österreich auch wieder die Führung im Nationencup vor Deutschland. „Das ist cool, aber es wird ein heißer Fight“, sagte der Tiroler, der allerdings einen Rückschlag im Kampf um den Tourneesieg hinnehmen musste. Denn der Gesamtweltcupführende Kraft war erneut nicht vom Windglück gesegnet und fiel in der Tourneewertung hinter Hörl auf Platz vier zurück.

Hörl liegt nach seinem zweiten Weltcupsieg nun 23,6 Punkte oder umgerechnet etwa 13 Meter hinter Kobayashi. Kraft fehlen bereits 33,8 Zähler auf den Japaner. „Wir können uns ärgern und noch mehr auf Angriff gehen“, betonte Widhölzl. Kobayashi springe derzeit in einer „brutal guten Form“ und habe noch keinen schlechten Sprung gehabt. Bei Wellinger sei es genauso. Für Widhölzl sei die Tournee aber bis jetzt „sehr positiv“ verlaufen mit einigen Highlights. „Natürlich magst du in der Gesamtwertung ganz vorne dabei sein, aber da muss viel zusammenpassen“, betonte der Tourneesieger von 1999/2000.

Für einen österreichischen Tourneesieg, den ersten seit neun Jahren, ist mittlerweile fast ein Skisprung-Wunder vonnöten. „Auf das schaue ich gar nicht“, betonte Hörl. „Ich bin megahappy, dass ich Dritter bin. Es sind schon sehr viele Punkte.“ Außerdem sei es in Bischofshofen sehr stabil vom Wind, da werde nicht mehr viel zu holen sein. Nachsatz: „Aber es ist Tournee, es sind eigene Gesetze. Es kann viel passieren, abschreiben tue ich es noch nicht.“

Der fünffache Saisonsieger Kraft jubelte jedenfalls mit Teamkollege Hörl und Zimmerkollege Michael Hayböck, der in Innsbruck seit fast vier Jahren wieder einmal auf dem Stockerl landete und nun Gesamt-Fünfter ist. „Es war ein Wahnsinn, so einen coolen Wettkampf habe ich selten erlebt. Da kann man sich schon voll mitfreuen“, sagte Kraft. Enttäuschung herrschte beim Pongauer trotzdem, nach dem ersten Durchgang sei er kurz „brennheiß“ gewesen. „Für mich kann es sich nicht mehr ausgehen“, sagte der 30-Jährige mit Blick auf die Gesamtwertung. „Es ist gerade ein bissl verhext. Der Wind ist nicht immer eine Ausrede, aber für ganz vorne wird es natürlich schwer.“

Auf der Paul-Außerleitner-Schanze können die guten Flieger noch einige Punkte aufholen, doch wer nach dem Bergisel vorne lag, gewann zuletzt so gut wie immer auch die Tournee. In der jüngsten Vergangenheit fing nur 2017 Kamil Stoch den nach Innsbruck führenden Daniel Andre Tande noch ab. In Bischofshofen steht jedenfalls die „Österreicher-Schanze“ unter den vier Tournee-Bakken. Dort triumphierte bereits 24 Mal ein ÖSV-Athlet, zuletzt 2022 der Salzburger Daniel Huber.

Für Hörl, der in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen so wie Kraft kein Windglück hatte, sei der Triumph am Bergisel eine Genugtuung gewesen, erklärte Widhölzl. Auch der 25-Jährige war voller Euphorie. „Ich habe meine Eier in die Hand genommen und einen radikal rausgelassen. Es war sicher einer meiner größten Sprünge“, sagte Hörl, der nur den Team-Olympiasieg in Peking noch höher einordnete. Der Bischofshofener freute sich auf das Heimspiel im Pongau, wo er mit Kraft zumindest um den Titel als bester ÖSV-Adler kämpfen wird. „Wir mögen uns sehr gerne und werden da nicht zum Streiten anfangen. Daher können wir befreit skispringen“, gab Hörl die Marschroute vor.