PRO

Julian Schütter | Julian Schütter (25) ist Abfahrer und Teil des
ÖSV-Skiteams. Der Steirer setzt sich aktiv für die Umwelt ein, unterstützt „Fridays For Future“ und kämpft auch beim internationalen Skiverband FIS für das Thema Umwelt.
Julian Schütter
| Julian Schütter (25) ist Abfahrer und Teil des ÖSV-Skiteams. Der Steirer setzt sich aktiv für die Umwelt ein, unterstützt „Fridays For Future“ und kämpft auch beim internationalen Skiverband FIS für das Thema Umwelt. © Barbara Gindl

Lassen Sie mich etwas ausholen. Vor rund 300 Jahren haben Menschen begonnen, fossile Brennstoffe zu nutzen. Die billige Energie brachte Wohlstand und Sicherheit, formte unsere Gesellschaften, erhitzt durch die Freisetzung von CO2 aber die Atmosphäre und katapultiert das Weltklima gerade aus einer ca. zehntausendjährigen stabilen Phase, die die Entstehung menschlicher Zivilisation wahrscheinlich erst ermöglicht hat.

Der erste Bericht des „IPCC“, des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, erschien 1990. Im April vergangenen Jahres folgte bereits der sechste. Mit jedem Bericht bestätigte sich aufs Neue, dass eine weitere Nutzung fossiler Brennstoffe unsere Lebensgrundlagen bedroht. Heute spüren wir die Auswirkungen, vor denen schon vor 30 Jahren gewarnt wurde, in vielen Fällen sogar früher als ursprünglich erwartet bzw. befürchtet. Gletscher und Polkappen schmelzen, Wälder brennen, Dürren und Fluten werden immer häufiger. Viel Feuer, wenig Eis.

Die nächste Stufe sind großflächige Ernteausfälle, bis dato ungesehene weltweite Fluchtbewegungen bzw. Flüchtendenströme – und Krieg. Diese Eskalation würde unsere Zivilisation nicht überleben. Trotzdem befeuern wir sie weiter, indem die astronomisch hohen globalen Emissionen Jahr für Jahr steigen. Panik ist angebracht.

Wenn uns also etwas an den Errungenschaften der letzten 300 Jahre liegt, die auch dazu geführt haben, dass im Oktober Tausende Menschen in ein enges Seitental in den Alpen gondeln, um auf 3000 Metern Seehöhe in einer kargen Fels- und Eislandschaft ein paar Dutzend Menschen dabei zuzujubeln, wie sie über einen glatten, weißen Hang rodeln, sollten wir schleunigst anfangen, effektiv die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Und weil das leider nicht durch den reinen Austausch von Technik funktioniert, müssen wir uns darauf einstellen, unsere Gewohnheiten zu ändern. Davon ist auch der Skisport nicht ausgenommen.

Also ja, der Saisonstart in den Weltcupwinter in der kommenden Woche erfolgt definitiv zu früh. Da man sich in Europa nicht so früh auf diesen vorbereiten kann, zwingt er Teams zu Interkontinentalreisen, die natürlich weitere Emissionen verursachen und so die Erhitzung befeuern. Außerdem kann mir niemand erzählen, dass die Marketingabteilungen der Tourismusregionen und Skiindustrie keine Ideen hätten, um das ach so unverzichtbare Signal, für den Skiwinter zu buchen, auch anders an den Markt abzusetzen.

Den Skiweltcup-Saisonstart um ein paar Wochen in Richtung Winter zu verschieben, kann so schwierig nicht sein. Es wäre ein Zeichen, dass uns etwas an unserer Zukunft liegt. Wenn wir nicht einmal das hinbekommen, sehe ich leider schwarz.

KONTRA

Franz Hörl | Franz Hörl (66) ist Seilbahnsprecher in der Wirtschaftskammer, betreibt ein Hotel und eine Landwirtschaft in Gerlos in Tirol und sitzt für die ÖVP im Nationalrat.
Franz Hörl
| Franz Hörl (66) ist Seilbahnsprecher in der Wirtschaftskammer, betreibt ein Hotel und eine Landwirtschaft in Gerlos in Tirol und sitzt für die ÖVP im Nationalrat. © EXPA/ERICH SPIESS

Der Auftakt in die Skiweltcup-Saison in Sölden am kommenden Wochenende ist richtig und auch sehr gut positioniert. Wesentlich ist aus meiner Sicht dabei, dass die dafür notwendigen Maßnahmen aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht vertretbar sind. Dies ist in einem hoch gelegenen Skigebiet wie Sölden, das ohnedies nur unwesentlich später auch in die allgemeine Skisaison startet, absolut gegeben.

Mit Blick auf die technische Beschneiung darf dabei auch nicht unerwähnt bleiben, dass das vorzeitige Präparieren ja auch maßgeblich dazu beiträgt, in der Folge mit weitaus weniger Aufwand die perfekten Bedingungen für die gesamte Wintersaison herzustellen. Dahingehend finde ich den Start und insbesondere den Standort Sölden für den Auftakt der Wintersaison nach wie vor als geeignet.

Sölden passt im konkreten Fall als Veranstaltung in eine Zeit, in der der Wintersport speziell in niedrigen Lagen immer stärker von klimatischen Veränderungen betroffen ist, sich die Seilbahnbranche aber gleichzeitig seit Jahren auf klarem Kurs in Richtung Klimaneutralität befindet.

Der Skibetrieb basiert heute fast ausschließlich auf nachhaltigen Ressourcen und Technologien – von der Elektromobilität der Seilbahnen über den heimischen Ökostrom für die Beschneiung und dem intensiven Ausbau erneuerbarer Energie, vor allem in Form von Photovoltaik und Wasserkraft. Dahingehend sind viele österreichische Skigebiete schon heute international längst absolut federführend und zeigen auf, wie die Zukunft von nachhaltigem Skisport aussehen kann und wird.

Aber auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Skiweltcup-Auftakt in Sölden relevant für den Tourismusstandort Österreich. Mit ihrer Bedeutung für den Tourismus als unverändert prägnanter Wertschöpfungsmotor tragen die Bilder aus Sölden dazu bei, die Lust aufs Skifahren zu verstärken und damit auch Österreich als Winterdestination in den Mittelpunkt zu rücken.

Gerade in einer Phase, in der der österreichische Wirtschaftsmotor weiterhin schwächelt und Tourismus und Freizeitwirtschaft zu den Branchen mit stabil hohem Zuspruch zählen, hat der Weltcupauftakt damit letztlich auch volkswirtschaftliche Relevanz. In diesem Sinne mag sich die jährliche Diskussion rund um den Auftakt in Sölden auch in diesem Jahr wiederholen, diese fußt jedoch auch unverändert auf der ideologischen Diskussion über das Skifahren in Gletschergebieten.

Für die alpinen Regionen, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung ohnedies eingeschränkt, sind Signale wie Sölden jedoch entscheidende Impulse für Unternehmen und Arbeitsplätze und somit für eine gesicherte Lebensqualität.