Frau Tropper, Sie sind Österreichs erfolgreichste Mama-Bloggerin, aber Sie sind vor allem auch Mutter von Zwillingsbuben. Schulsachen sind teuer, das spüren ab morgen wieder alle, wenn die diversen Materiallisten abgearbeitet werden müssen. Mit welchem Gefühl gehen Sie in das Semester?

Christina Tropper: Der Schulanfang bedeutet ein großes Minus am Konto, weil wirklich alles teurer ist und weil ich auch weiß, dass es dabei nicht bleibt, in einem Semester kommt so viel dazu, was extra zu zahlen ist. Unsere Kinder gehen in eine, sagen wir, multikulti Großstadt-Schule und daher kenne ich viele Menschen, die nicht in meiner sozialen Blase sind. Das ist gesund, aber es zeigt mir, wie viele Eltern es sich einfach nicht leisten können, dass ihr Kind ein Angebot in der Freizeit annehmen kann.

Was meinen Sie konkret damit?

Tropper: Es gibt dort zum Beispiel sehr günstige Kurse, wo man eben Kung Fu oder anderen Sport machen kann, und ich hab die Leiterin gefragt, warum sie diese Kurse immer nur für sechs Wochen und nicht für ein Semester anbietet. Und sie meinte, weil es sich die Eltern nicht leisten können. Viele müssen auch diese geringen Beiträge in Raten zahlen.

Und merkt man diese sozialen Unterschiede auch im Unterricht?

Tropper: Ja, natürlich wirkt sich das aus, weil wenn man zum Beispiel keinen Laptop und keinen Drucker hat, mit dem man den Kindern beim Referat mit Fotos helfen kann, dann ist das Ergebnis schlechter. Und viele Eltern können aber eben genau das nicht leisten, weil sie anders arbeiten, weil sie einen anderen Hintergrund haben. Und die Kinder kriegen deswegen einen unfairen Start ins Leben. Deswegen wäre ich einfach für eine Ganztagsschule. Damit es einen Platz gibt, an dem diese Dinge zu den gleichen Bedingungen erarbeitet werden. 

In Österreich leben 1,3 Millionen Menschen an der Armutsgrenze, 350.000 Kinder sind armutsgefährdet. Das ist für ein so reiches Land eine hohe Zahl - warum haben Kinder keine Lobby?

Tropper: Sie haben keine Lobby, weil sie nicht wählen können. Deshalb sind sie für die Politik wahrscheinlich nicht so interessant. Ist traurig, ich weiß. 

Sie schreiben den erfolgreichsten Mama-Blog Österreichs und ich habe ein Zitat von Ihnen gelesen. Sie haben Bilanz über das Mama-Sein gezogen, und zwar so: „Bekomme Kinder, haben sie gesagt. Du wirst sie lieben, haben sie gesagt, Jetzt, nach zehn Jahre, kann ich sagen: Stand der Dinge, Augenringe“ - Was bedeutet es im Jahr 2023 eine arbeitende Mutter zu sein?

Tropper: Puh, es ist anstrengend. Kinder zu haben und zu arbeiten ist anstrengend. Wir sind in der Rush-Hour unseres Lebens, wir wollen Karriere machen, unser Geld verdienen, uns gut um die Kinder kümmern und dann sollten wir auch noch auf uns selbst schauen. Dafür hat man aber meistens sowieso keine Zeit. Für mich ist es daher ein Ausgleich, lustige Blog-Kolumnen über das Scheitern zu schreiben. Dann geht es mir besser.

Sie haben ja auch schon drei Bücher geschrieben, aber lassen Sie uns noch kurz bei der Vereinbarkeit bleiben. Als Mutter kommen viele Erwartungen daher. Eigentlich müsste man Vollzeit arbeiten, wegen der drohenden Altersarmut, dann soll es aber auf social media alles ganz locker aussehen, cool im Job und gut gelaunt bei der Familie und die Kinder, die verdienen viel Zeit, weil sonst ist man die „Rabenmutter“ - gibt es ein Rezept dagegen?

Tropper: Also, mir hat ein Freund erst kürzlich gesagt: „Du hast die Rabenmutter salonfähig gemacht!“ Und das habe ich als großes Kompliment gesehen. Die strengen Bewertungen kommen oft aus einer Unsicherheit, denn am Ende wollen es alle gut machen, aber wie das gehen soll, wissen wir Eltern doch auch nicht so genau. Die Kinder sind unsere Prototypen, Experimentierfläche. Ich denke, es ist bei dem ganzen Spagat hilfreich, ein bisschen Humor in die Debatte zu bringen. Also, zumindest für mich ist das so.

Kinder brauchen Betreuung, sie brauchen Unterstützung von den Eltern auch für die Schule und daneben rauscht das Leben. Muss sich unsere Arbeitswelt vielleicht auch verändern?

Tropper: Wir leben tatsächlich in einer schwierigen Zeit, denn alleine wenn ich mir ansehe, wie sich das Arbeitsleben in den letzten 25 Jahren verändert hat, wird mir schwindlig. Mein Vater war Chef einer Firma mit 250 Menschen, aber wenn wir auf Urlaub waren, hat niemand angerufen. Wenn du heute ein E-Mail nicht innerhalb der nächsten zwei Stunden beantwortest, kriegst du schon einen Anruf, ob du eh noch lebst.

Zurück zur Arbeit in der Familie, Das arbeiternehmernahe Momentum Institut hat errechnet, dass Frauen im Jahr Sorge- und Familienarbeit im Wert von 108 Milliarden Euro leisten. Auch Männer leisten solche Arbeit, aber Frauen erledigen den Hauptanteil. Sollte man die Care-Arbeit also einfach bezahlen?

Tropper: Also, ich finde, man kann nicht alles bezahlen. Weder im Berufs- noch im Privatleben. Ich finde es schwierig, zu sagen, eine Umarmung kostet 2 Euro oder fünf Euro. Ich weiß schon, dass wir in einer kapitalistischen Gesellschaft leben, aber man kann eben nicht alles bezahlen. Was man hingegen schon tun kann und auch sollte, ist, dass man Mütter als das sieht und wertschätzt, was sie sind: Managerinnen. Wir arbeiten projektorientiert, sind situationselastisch, haben jede Menge Empathie und führen einen kleinen Betrieb. Wir sind ein Geschenk für jede HR-Abteilung und deswegen sollte man Müttern eigentlich die tollen Jobs im mittleren Management geben. Aber sich dann auch überlegen, wie so etwas in Teilzeit gehen kann.

Sie selbst arbeiten neben Ihrer Selbstständigkeit ja auch in Teilzeit. Haben Sie Führungsaufgaben?

Tropper: Ja, ich mache die Leitung eines kleinen Teams in Teilzeit, das funktioniert wunderbar. Und übrigens sind Mütter echte Effizienzmaschinen, ich wundere mich oft selbst, was ich alles bis 14 Uhr schaffen kann. Sich dafür selbst und auch gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, sollte im Leben einer arbeitenden Mama automatisch dazu gehören. Es ist auch unsere Aufgabe, unsere Leistungen nicht zu verstecken, sondern stolz darauf zu sein.

Gesellschaftlich verändert aber die bloße Wertschätzung trotzdem noch nichts am status quo. Noch immer gehen nur ganz wenige Väter in Karenz. Warum?

Tropper: Ich glaube es liegt an zwei Dinge. Zum einen am Geld. Wenn ich ein Kind oder mehrere Kinder habe, dann muss ich aufs Budget schauen und dann geht jener Elternteil in Karenz, der weniger verdient. Das ist halt in den meisten Fällen die Frau. Das wär jetzt ein Argument, um an den Gehältern für Frauen zu schrauben, aber so ist es eben momentan. Und dann ist es auch gesellschaftlich noch ganz stark verankert, dass sowieso immer die Mama zuständig ist. Mein Mann etwa hat direkt neben dem Kindergarten gearbeitet, das wussten auch alle im Kindergarten, aber wenn etwas war, ein Kind abgeholt werden musste, haben sie immer mich angerufen.

Ihr Blog „Einer schreit immer“ war der Erste in Österreich und ist schnell groß geworden. Vor allem Mütter aus Deutschland finden Ihre launigen und selbstironischen Inhalte gut und dazu gibt es auch noch viel Service. Wie viel Persönliches geben Sie her für diese Reichweite?

Tropper: Mich selbst. Aber wir haben uns so positioniert, dass es eben nicht primär um meine Familie geht, es geht um das Leben mit Zwillingen, aber auch um das Leben als Eltern. Wäre ich nur auf Instagram, müsste ich tatsächlich mein Privatleben verkaufen, das will ich nicht.