Rosenhof, Gemeinde Greisdorf, Bezirk Deutschlandsberg. 4. August 1964, zehn Uhr vormittags. Ein Tag, an dem sich für zwei Familien das Leben schlagartig verändern sollte. Eine Tragödie, die weit über die Grenzen der Steiermark hinaus für Schlagzeilen sorgte. Und ein Mörder, der in der Psychiatrie regelrecht vergessen wurde.

Zwei Bauernfamilien sind an diesem Tag mit Arbeiten auf den Feldern beschäftigt, als auf einem der Höfe zwei Jagdhunde ausreißen. Die zehnjährige Maria H. soll sie suchen und nach Hause bringen. Doch die Hunde kommen allein zurück. "Mitzerl" ist wahrscheinlich bei den Großeltern, dachten sich ihre Eltern zuerst. Bald stellt sich heraus, dass dem nicht so ist. Die Suche beginnt. Wenig später und nur unweit vom Hof findet der Vater die Schuhe seiner Tochter. Nur 20 Meter entfernt entdeckt er dann auch ihren leblosen Körper. Der Leichnam weist zahlreiche Stichwunden auf. Trotz seines Schocks reagiert der Vater geistesgegenwärtig und sperrt den Tatort ab, bevor er nach Hause rennt. Als ihn seine Frau fragt, ob die "Mitzerl" lebt, deutet er nur mit dem Kopf: Nein.

Maria H. wurde getötet
Maria H. wurde getötet © Breitegger

Die Suche nach dem Mörder beginnt. Die Spurenlage gibt Aufschluss über die Tat: Der Mörder hat Maria H. 20 Meter weit verfolgt, sie von hinten gepackt und mit einem Messer auf sie eingestochen. Immer und immer wieder. Dann legte er die Leiche wenige Meter vom Tatort entfernt ab. Für Gerichtskommission und Gendarmerie steht rasch fest: Es handelt sich um einen typischen Lustmord.

Die Angehörigen des Opfers haben schnell einen Verdacht: "Das kann nur der Taubstumme aus der Nachbarschaft gewesen sein", erklären sie der Gendarmerie. Gemeint ist Franz B., der seit einer Gehirnhautentzündung im Kindesalter laut ärztlichen Unterlagen "taubstumm und schwachsinnig" ist. Ihm traut sogar seine eigene Mutter die Tat zu. Sie stellt ihn zur Rede. Doch Franz bestreitet, der Täter zu sein. Doch die Mutter entdeckt auf seiner Hose Blutflecken und sucht nach einem Messer, kann aber keines finden. Schließlich muss er die Hose ausziehen. Sie wird noch am selben Tag gewaschen.

Die Ermittlungen führten zu Franz B.
Die Ermittlungen führten zu Franz B. © Breitegger

Unzurechnungsfähig

Ebenso wird Franz B. auch als Tatverdächtiger befragt. Nicht weil ihn die Angehörigen des Opfers verdächtigt hatten, ein Gendarmeriehund hatte am Tatort die Fährte aufgenommen und die Ermittler direkt zu ihm geführt.

Die Tat wurde zwischen 10.15 und 10.45 Uhr verübt. Zu diesem Zeitpunkt habe er, so der Verdächtige, auf dem Feld gearbeitet. Diese Aussage kann widerlegt werden. Außerdem stellen die Ermittler seine Gummistiefel sicher. Der linke ist durch einen Hundebiss beschädigt – und am linken Unterschenkel des Verdächtigen klafft eine Bisswunde, die mit dem Loch im Stiefel übereinstimmt. Der 24-Jährige wurde während der Tat von einem der beiden Jagdhunde gebissen. Nach stundenlangem Verhör gesteht Franz B. und demonstriert das Verbrechen vor der Gerichtskommission. Zum Motiv schweigt er. Ebenso verschweigt er, wo er die Tatwaffe versteckt hat. Das Messer wird erst Tage später gefunden.

Franz B. war laut zwei Psychiatern zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig. Er kommt in die Psychiatrie (damals Grazer Feldhof). Dort war er bereits 1956 eingewiesen worden, weil er seine Mutter mit einer Hacke verletzt hatte. Diesmal wird er 50 Jahre in der Psychiatrie verbringen. "Über Nacht", so seine Schwester 2016 in einem Gespräch mit der Kleinen Zeitung, sei er dann entlassen worden. Unsere Recherchen ergaben, dass das Gericht den Maßnahmenvollzug schon 1994 aufgehoben hatte. Warum er damals nicht entlassen wurde, ist unerklärlich. Erst zehn Jahre später kam er frei.

[Dieser Fall erschien ursprünglich in unserer Serie "Tatort Steiermark"]