Schon bei ihrem Vorstellungsgespräch als Moderatorin des Senders oe24.tv kam Raphaela Scharf einiges komisch vor. „Ich war eigentlich da schon angewidert, denn es ging viel um mein Äußeres und es war klar, dass Wolfgang Fellner ein Machtmensch ist, einer, der alles bestimmt“, erinnert sich die Journalistin zurück. Das war 2019. Vier Jahre später, im Frühling 2023, waren dann alle gerichtlichen Belange erledigt. Scharf klagte Wolfgang Fellner und gewann bzw. verglich sich. Es ging um Machtmissbrauch und es ging um sexuelle Belästigung. Dass sie überhaupt klagen konnte, hatte sie ihrer Rechtsschutzversicherung zu verdanken, dass ihr geglaubt wurde, ihrer peniblen Dokumentation von Chats und einer Art Zufall, denn ein entscheidendes Tondokument hatte ein Kollege in der Regie erstellt. Er hatte den Ton mitlaufen lassen, während Fellner die noch voll verkabelte Scharf in seinem Büro „zur Sau gemacht hat“ (Scharf). 

Wie es zu all dem kam, was im Prozess passiert ist, wie es ihr psychisch und danach auch beruflich im sehr kleinen österreichischen Medien-Arbeitsmarkt ging, das habe ich mit ihr besprochen. Spoiler: Nicht gut, denn nun war sie offenbar ein rotes Tuch für Medienhäuser. Eine, die man nicht so gerne einstellt. Warum das so ist, besprechen wir ebenfalls.

Raphaela Scharf - kann man ein #MeToo-Traum überhaupt überwinden?

Raphaela Scharf, zu Gast bei „fair&female“ mit Barbara Haas  | Was kommt nach #metoo? Fragen, die Zeit brauchen. Am besten also hört man sich das Podcast-Gespräch an
Raphaela Scharf, zu Gast bei „fair&female“ mit Barbara Haas
| Was kommt nach #metoo? Fragen, die Zeit brauchen. Am besten also hört man sich das Podcast-Gespräch an © Georg Aufreiter

Warum hat sie nicht gekündigt?

Und trotzdem bleibt eine Frage, die man Opfern von Gewalt immer wieder stellt. Egal, ob bei häuslicher Gewalt oder auch bei sexuellen Übergriffen, gerade im Berufskontext: Warum ist sie nicht gegangen? Warum hat sie nicht gekündigt? Warum den Job überhaupt begonnen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht trivial, denn es ist die falsche Frage. Sie bedient die klassische Täter-Opfer-Umkehr, also nicht derjenige wird infrage gestellt, der Unrechtes tut, sondern die Frau sollte dem einfach ausweichen (Subtext: Sonst ist sie selbst schuld).

Weil also die ganze Angelegenheit Kontext und Einordnung braucht, habe ich im aktuellen fair&female-Podcast mit Raphaela eine Stunde darüber gesprochen. Wie es anfing, wie es eskalierte, was das alles mit ihr gemacht hat und aber auch, wie es konstruktiv mit diesem Thema, das auch in den Medien eines ist, weitergehen könnte. Scharf, und auch andere betroffene Journalistinnen, haben sich in den letzten Monaten viele Gedanken gemacht, welche Strukturen Frauen helfen könnten, und sind zu einem Ergebnis gekommen. Es soll eine Vertrauensstelle geben, die weiterhilft. Und ein erster Schritt dahin ist bereits gesetzt, der Verein „Columna V“ hat sich gegründet, Scharf ist die Vorstandsvorsitzende. Eine bereits durchgeführte Online-Umfrage zeigte, dass es sich bei diesem Thema nicht um ein spezielles „Fellner-Problem“ handelt, mehr als 220 Frauen schilderten darin ihre Erlebnisse.

Die Gerichtsverhandlungen wurde von allen Medien dokumentiert  | Moderatorin Raphaela Scharf vor der Verhandlung mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem Medienmacher Wolfgang Fellner.
Die Gerichtsverhandlungen wurde von allen Medien dokumentiert
| Moderatorin Raphaela Scharf vor der Verhandlung mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem Medienmacher Wolfgang Fellner. © APA/HANS PUNZ
Wolfgang Fellner vor Gericht  | Der Medienmanager musste Entschädigung zahlen
Wolfgang Fellner vor Gericht
| Der Medienmanager musste Entschädigung zahlen © APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)

Warum „Columna V“ so heißt, wer unterstützend mit dabei ist und wann es eine solche Vertrauensstelle geben kann, ist ebenfalls Teil unseres Podcast-Gesprächs. Raphaela Scharf ist überzeugt, dass sie es schaffen wird und dass ihr „David gegen Goliath“ Kampf etwas Konstruktives und Gutes bewirken wird können.

Wer noch mehr zum Thema Machtmissbrauch und Sexismus sehen möchte, kann genau das mit der hervorragenden ZDF-Doku „Sex und Macht“, in der auch Raphaela Scharf als eine Protagonistin porträtiert wurde.

Transparenzerklärung: Raphaela und ich kennen uns persönlich vom Frauennetzwerk Medien.