Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Rande des EU-Sondergipfels zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) Österreichs sparsame Position bekräftigt. Der aktuelle Budgetplan von EU-Ratspräsident Charles Michel sieht vor, dass die Staaten 1,074 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung einzahlen. "Das ist einmal die Verhandlungsgrundlage", sagte Kurz vor Journalisten in Brüssel. In den Abendstunden zog sich Michel zu Vieraugengesprächen mit den Regierungschefs zurück

Zuvor hatte Kurz die Regierungschefs der Nettozahlerländer Dänemark, Schweden und den Niederlanden getroffen. Die Vierer-Gruppe fordert eine Beschränkung der Ausgabenobergrenze auf weiterhin ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. "Wir bleiben in den Verhandlungen abgestimmt und werden am Ende nur gemeinsam eine Zustimmung erteilen." Das stärke die Position "der vier kleinen aber wirtschaftlich nicht unwesentlichen Staaten", sagte Kurz.

Wer sind die Nettozahler?

Die kleinen, aber wirtschaftlich gewichtigen EU-Nettozahlerstaaten Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark haben sich zu einer Allianz zusammengeschlossen. Gemeinsam bringen es die vier Länder auf fast 42 Millionen Einwohner. Die Allianz setzt sich aus unterschiedlichen Strömungen zusammen. Schwedens und Dänemarks Regierungschefs bzw. -chefinnen sind Sozialdemokraten, der niederländische Premier ist liberal.

Nettozahler sind laut dem aktuellsten verfügbaren EU-Finanzbericht  auch Frankreich, Italien, Belgien, Irland, Finnland sowie das am 31. Jänner aus der Gemeinschaft ausgetretene Großbritannien. Dänemark, Deutschland, Österreich Schweden und die Niederlande zahlen aber die höchsten Nettobeiträge an die EU. Sie liegen für diese Staaten über 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE), für Österreich etwa 0,35 Prozent. Spitzenreiter sind Dänemark und Deutschland mit 0,39 Prozent des BNE. Der Nettobetrag ist die Differenz aus Bruttozahlungen ins EU-Budget abzüglich der Rückflüsse aus dem EU-Haushalt.

"Nicht uneuropäisch"

Kurz betonte, es sei "nicht uneuropäisch, dafür einzutreten, dass das Budget nicht ins Unermessliche steigt. Die EU ist für uns im positiven Sinne so etwas selbstverständliches, dass europäische Debatten so legitim sind wie innenpolitische. Budgetverhandlungen in Österreich sind auch nicht unösterreichisch."

Die Vier-Augen-Gespräche beim EU-Sondergipfel in Brüssel sollen nach der Reihe der rotierenden EU-Ratspräsidentschaften stattfinden, wie ein Sprecher von Gipfelchef   Michel auf Twitter mitteilte. Dies bedeutet, dass  Kurz  spät an der Reihe ist, denn Österreich hatte erst 2018 seine EU-Ratspräsidentschaft.

Den Anfang mache der kroatische Premierminister Andrej Plenkovic, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat, twitterte Barend Leyts, der Sprecher von Michel. Diplomaten zufolge dürften diese Gespräche bis Mitternacht dauern. Danach könnte der Gipfel noch einmal in der Runde der 27 zusammenkommen.

Das sogenannte "Beichtstuhlverfahren" hat Tradition in der EU. Dabei versucht der Ratspräsident in Einzelgesprächen mögliche Kompromisse und rote Linien der Regierungschefs auszuleuchten. Auf Grundlage dieser Gespräche soll dann ein neuer Kompromissvorschlag erstellt werden

Der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, hat am Donnerstag beim EU-Budget-Sondergipfel mit einem Veto gegen den Haushaltsentwurf gedroht. Dazu könne es kommen, "wenn dieser nicht die Mittel vorsieht, die nötig sind, um die zahlreichen aktuellen Herausforderungen zu bewältigen".

"Ich habe gegenüber den Staats- und Regierungschefs betont, dass das Europäische Parlament nicht jede beliebige Einigung akzeptieren wird", so Sassoli nach seiner Rede vor den Spitzenpolitikern. "Es gibt eine sehr große Mehrheit, die bereit ist, jeden Vorschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen, der die Positionen des Parlaments nicht berücksichtigt, abzulehnen." Die Berechnungen des EU-Parlaments basierten auf den Bedürfnissen der Union, auf den Zusagen der neuen Kommission und auf der strategischen Agenda des Rates.