Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird am heutigen Samstag ein politischer Schlagabtausch der atomaren Großmächte erwartet. Die Außenminister der USA, Russlands und Chinas werden in München reden. Zudem wird erwartet, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sein Angebot an die anderen Europäer präzisieren wird, möglicherweise unter den französischen Atomschild zu schlüpfen.

Am Freitag hatte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Sicherheitskonferenz, an der Dutzende Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsministern teilnehmen, mit scharfer Kritik an den ständigen Vertretern des UN-Sicherheitsrates eröffnet. Er warf vor allem den USA, Russland und China vor, mit nationalem Egoismus die internationale Weltordnung zu zerstören.

"Schädliches Gegeneinander"

Auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat bereits am Freitag in München die Wichtigkeit einer geeinten EU und eines starken Westens betont. Es sei auch wichtig, "dass diese geeinte Europäische Union mit den Partnern insbesondere im Westen gut zusammenarbeitet", sagte Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Abend mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.

Als "schädlich" bezeichnete Kurz "das Gegeneinander, das wir in der letzten Zeit mehr und mehr erlebt haben". Es sei "schädlich, wenn es Gräben innerhalb der Europäischen Union gibt, und es ist auch schädlich, wenn es Spannungen mit anderen natürlichen Verbündeten gibt. Das betrifft unsere politische Kraft, das betrifft aber natürlich auch die Wirtschaftsleistung."

"Spannungen bringen Unsicherheit"

Als Beispiel nannte der Bundeskanzler insbesondere die Vereinigten Staaten, die "unser zweitwichtigster Handelspartner" seien "und insofern Garant für viele Arbeitsplätze" in Österreich. "Sämtliche Spannungen im wirtschaftlichen Bereich, insbesondere mit einem Handelspartner wie den USA, bringen Unsicherheit mit sich und sind schlecht für unser Wirtschaftswachstum und somit für die Arbeitsplätze." Man werde sich "weiterhin bemühen, Gräben innerhalb der Europäischen Union abzubauen, aber insbesondere auch die Zusammenarbeit mit natürlichen Verbündeten zu suchen und stets den Dialog voranzutreiben mit anderen Supermächten wie Russland und auch China".

Schallenberg unterstrich, dass man den Westen auch nicht "kleinreden" dürfe: "Wir sind manchmal wahnsinnig gut in der Selbstgeißelung, wir sehen eher die Probleme." Auch er nannte als Beispiel die transatlantischen Beziehungen. "Da müssen wir auch das Gemeinsame stärker sehen, das ist immer noch eine Wertegemeinschaft" - bei allen "Meinungsunterschieden", die man manchmal habe, etwa im Hinblick auf das Thema Landminen oder die Todesstrafe. "Wir sind manchmal zu sehr - auch innerhalb der EU - dabei, dass wir das Trennende nach vorne stellen."

Natürlich müsse Europa stärker werden, sagte der Außenminister. Er plädierte aber auch dafür, die Dinge zu sehen, "wo wir etwas erreicht haben - denken wir zum Beispiel an das osteuropäische Umfeld" oder auch "an Südosteuropa": "Da hätte in den letzten 20 Jahren schon viel ohne den europäischen Einfluss schiefgehen können."

Österreich unterstützt China mit Schutzhandschuhen

Kurz und Schallenberg kündigten zudem an, dass Österreich  China im Kampf gegen das Coronavirus mit konkreten Hilfsleistungen unterstütze - zuvor hatten sie mit mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi in München Gespräche geführt. 

Schallenberg sagte, es würden unter anderem "2,4 Millionen Stück Schutzhandschuhe" und "100.000 Stück chirurgische Masken" zur Verfügung gestellt. Es gehe also "um ganz konkrete" Hilfsleistungen. "Die Europäische Union hat uns gebeten, unsere Hilfsleistungen mit denen anderer Mitgliedstaaten zu poolen, und das wird dann geschlossen nach China gebracht", erläuterte der Außenminister in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz. "Genau in solchen Situationen zeigt sich auch, was Partnerschaften wert sind, dass man schnell, unbürokratisch anderen zur Seite steht."

Der Bundeskanzler sprach von einem "guten Gespräch" mit dem chinesischen Außenminister, "dem wir unsere Unterstützung zugesagt haben im Kampf gegen das Coronavirus. Wir haben bisher schon einen Beitrag geleistet und stehen auch bei Bedarf bereit, diesen Beitrag noch weiter auszuweiten."

Zahlreiche bilaterale Treffen

Kurz hatte am späten Nachmittag an einer Podiumsdiskussion mit seinem kanadischen Amtskollegen Justin Trudeau und der norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg teilgenommen und mit beiden im Anschluss auch bilaterale Gespräche geführt, ebenso wie mit Wang Yi. Im Vorfeld seiner Teilnahme an der Konferenz sagte Kurz gegenüber Journalisten, es müsse "unser Ziel sein, dass die Europäische Union insbesondere, aber auch der Westen in Summe stark" sei. "Der Westen, die westliche Wertegemeinschaft sind die Basis dafür, dass wir in Friede, Freiheit und Wohlstand leben können, und das gilt es zu verteidigen."

Kurz trifft CSU-Chef Söder

Die Münchner Sicherheitskonferenz findet heuer bereits zum 56. Mal statt. Bis Sonntag werden rund 40 Staats- und Regierungschefs und mehr als 100 Außen- und Verteidigungsminister in der bayrischen Hauptstadt erwartet. Im Fokus steht in diesem Jahr unter dem Schlagwort "Westlessness" die Rolle des Westens.

Am Rande der Tagung finden zahlreiche bilaterale Treffen statt. Kurz wird am Samstag noch mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder zusammentreffen. Geplant ist aber auch eine Begegnung mit dem CEO von Facebook, Mark Zuckerberg. Auf dem Programm von Außenminister Schallenberg stehen unter anderem Unterredungen mit seinen Amtskollegen aus Jordanien, dem Irak und Ägypten - Ayman Safadi, Mohamed Ali Alhakim und Sameh Hassan Shoukry - sowie die Teilnahme an einer Diskussion zum Thema "Central European Outlook for the EU: Winning the Next Decade".