Beim Finanzausgleich drängt die Zeit. Noch rund einen Monat haben Bund und Länder Zeit, sich auf die Verteilung der Steuermittel für die kommenden Jahre zu einigen – und möglicherweise auf Reformen im Gesundheitssystem.

"Ich kämpfe auch deshalb so darum, weil sonst eines Tages diese Republik an ihrer Reformunfähigkeit erstickt", betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Die Fragen stellten ORF-Journalistin Helma Poschner und Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung.

Kassenpraxen müssen attraktiver werden

Es brauche im Gesundheitssystem eine Finanzierung aus der Hand und vor allem mehr Kassenärztinnen und -ärzte sowie mehr Pflegepersonal, skizzierte Rauch seine Vorstellungen. "Die Spitäler sind auch deshalb überlastet, weil viele Menschen im niedergelassenen Bereich keine Behandlung bekommen", sagt der Gesundheitsminister.

Es müsse deshalb attraktiver werden, eine Kassenarztpraxis zu betreiben. Vorstellen könne er sich etwa ein Modell, bei dem ein gewisses Kontingent von Medizinstudierenden einen privilegierten Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten bekommt, wenn diese sich verpflichten, später als Kassenärzte zu arbeiten.

Rauch gegen mehr Studienplätze

Die Zahl der Medizinstudienplätze insgesamt aufzustocken, hält der Gesundheitsminister dagegen für wenig zielführend. Österreich bilde genügend Ärzte aus, "aber ein guter Teil wandert ab nach Deutschland und in die Schweiz oder in Wahlarztpraxen". Beim Aufnahmeverfahren zum Medizinstudium gebe es aber noch Verbesserungsbedarf, gestand der Gesundheitsminister ein, etwa würden soziale Kompetenzen derzeit eine zu geringe Rolle spielen.

Um wiederum den Bedarf an Pflegepersonal decken zu können, sprach Rauch von "drei Möglichkeiten". Durch Reformen müssten Bezahlung und Arbeitsbedingungen verbessert werden, sodass bestehendes Personal gehalten werden könne. Außerdem müsse in die Ausbildung investiert und gezielt Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben werden. Dabei appellierte Rauch allerdings für eine gemeinsame Vorgangsweise – zwischen den Bundesländern, aber auch auf EU-Ebene.

Klare Absage an Ambulanzgebühren

Eine klare Absage erteilt Rauch dagegen der von Teilen der Ärztekammer erhobenen Forderung, künftig eine Ambulanzgebühr einzuheben, um der Überlastung von Spitälern entgegenzuwirken. "Wir denken nicht an Ambulanzgebühren", sagte Rauch. "Damit bestrafen wir Menschen, die es sich nicht leisten können, im niedergelassenen Bereich eine Behandlung zu bekommen".

Weniger Kopfzerbrechen scheint dem Gesundheitsminister derzeit das Coronavirus zu machen. Dank Abwassermonitoring habe man einen guten Überblick über die Situation. Man sehe derzeit zwar leicht steigende Fallzahlen, das sei aber "keine alarmierende Situation". In der kalten Jahreszeit würden Atemwegserkrankungen allerdings zunehmen, in gewissen Situationen könne es dann ratsam sein, wieder eine Maske zu tragen. Über eine Maskenpflicht würde man dagegen nur nachdenken, sollte sich die Situation dramatisch verschlechtern oder neue Virusvarianten auftreten.

Auffrischungsimpfung vor allem für Ältere sinnvoll

Sinnvoll sei es aber insbesondere für ältere Menschen, sich eine Corona-Auffrischungsimpfung zu holen, betonte Rauch. Dass die FPÖ die Impfung "diskreditiert" habe, bedaure er. "Ich trete dafür ein, dass wir wieder auf den Boden der Wissenschaft zurückkehren", sagte der Gesundheitsminister.

Dass es momentan Probleme gebe, in Arztpraxen Termine für Auffrischungsimpfungen zu bekommen, sieht Rauch kritisch. "Ich schaue sicher nicht zu, wie Impfstoffe da sind, aber Menschen keinen Termin bekommen." "Eine Woche" wolle er noch abwarten, sollte es bis dahin keine Verbesserung geben, brauche es andere Lösungen. Eine Rückkehr der Impfstraßen könnte also bevorstehen.