"Wer Wissenschaft angreift, greift auch die Demokratie an", sagt Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) bei der Präsentation der Studie "Ergebnisse der Ursachenstudie zur Wissenschaftsskepsis und Demokratiefeindlichkeit in Österreich".

Nachdem das Eurobarometer 2021 in einigen Bereichen eine überdurchschnittlich hohe Wissenschaftsskepsis in Österreich aufwies, brauche es ein klareres Bild über die Lage im Land. Deshalb wurde eine Ursachenstudie beim Institut für Höhere Studien in Auftrag gegeben, die das Ausmaß der Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich stärker beleuchten soll. Eine Sekundärdatenanalyse mehrerer wissenschaftlicher Umfragedaten zeigt:

Grundsätzlich sehen die Autorinnen und Autoren eine positive Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Wissenschaft und Demokratie. Teile der Bevölkerung stehen diesen beiden Bereichen auch mit Desinteresse, Kritik und Skepsis gegenüber. Eine Zunahme der Wissenschaftsskepsis sei nicht zu beobachten. Auch, dass Österreich unter den besonders wissenschaftsskeptischen Ländern im EU-Vergleich ist, sei nicht zu bestätigen. Aber, rund zehn Prozent der Bevölkerung in Österreich steht der Wissenschaft skeptisch gegenüber.

Was ist Wissenschaftsskepsis?

Wissenschaftsskepsis wurde im Rahmen der Studie als grundsätzliche und unbegründete bzw. ungerechtfertigte Ablehnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen definiert. Skepsis habe darüber hinaus oft unterschiedliche Ausprägungen. Besonders ablehnend reagierten Österreicher im Eurobarometer bei den Themen Kernenergie und Gentechnik.

"Skepsis ist nicht gleich Desinteresse", hebt der Studienautor Johannes Starkbaum vom Institut für Höhere Studien hervor. Denn in den Daten zeige sich, dass wissenschaftsskeptische Personen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung teilweise ein höheres Interesse an Wissenschaft haben. Insgesamt ist das Interesse an Wissenschaft in Österreich etwas geringer als im EU-27-Durchschnitt, hat aber gegenüber 2010 leicht zugenommen.

Der Zusammenhang zwischen Wissenschaftsskepsis und Demokratie

"Wissenschaftsskepsis geht oft mit Demokratiefeindlichkeit einher", so Bildungsminister Polaschek (ÖVP). Das Vertrauen in Wissenschaft sei hoch. Im Bereich Vertrauen in die Demokratie sei allerdings eine leichte Abnahme beobachtbar. Es bestehe aber ein klarer Zusammenhang zwischen Demokratie- und Wissenschaftsskepsis. "Personen, die mit der Demokratie unzufrieden sind, stehen auch der Wissenschaft eher skeptisch gegenüber", sagt Starkbaum.

Zum Beispiel zeigen die Analysen, dass grundlegende politische Einstellungen, Populismusaffinität und Demokratieverständnis in ähnlicher Weise mit Wissenschaftsvertrauen und Demokratiezufriedenheit zusammenhängen. Personen, die Parteien als das Hauptproblem des Landes identifizieren, direkte Volksentscheide der repräsentativen Demokratie vorziehen oder sich einen starken Führer wünschen, der politische Entscheidungen allein trifft, vertrauen der Wissenschaft weniger und sind mit der Demokratie unzufriedener, heißt es in der Studie.

Frauen haben weniger Vertrauen als Männer

Eine eindeutige Gruppe von "Skeptikerinnen und Skeptikern" sei auf Basis der soziodemografischen Merkmale nicht zu identifizieren. Mit geringerem Vertrauen, Unzufriedenheit und Skepsis verbunden seien aber Merkmale wie: jüngeres Alter, niedrigeres Bildungsniveau, Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben bzw. der Demokratie und politische Orientierung am politisch rechten Spektrum.

Verglichen mit Männern, vertrauen Frauen der Wissenschaft etwas weniger als Männer. Daten des Eurobarometer 2021 zeigen zudem höhere Zustimmung zu wissenschaftsskeptischen Aussagen bei Personen, die angeben, in einer Großstadt zu wohnen. Grundsätzlich zeige sich die Skepsis an Wissenschaft und Demokratie in allen Bevölkerungsgruppen.

Wie kommt es zur Skepsis?

"Die Wissenschaft und Methoden sind im Leben vieler Bürger nicht präsent", schlussfolgert Starkbaum. Der politische Diskurs habe einen großen Einfluss auf Wissenschaftsskepsis, da skeptische Personen oft nicht die Wissenschaft an sich, sondern Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik kritisieren.

Befragte scheinen laut Studie teilweise wenig zwischen Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen und Politikern zu differenzieren und sehen beide als Repräsentantinnen privilegierter Gruppen. Diesen Personen wird auch die von Eigeninteresse geleitete Einflussnahme auf die Politik unterstellt. Angesprochen auf jüngst geäußerte Aussagen von Politikern, seien punktuelle Aussagen laut Polaschek nicht ausschlaggebend.

Widersprüche zwischen den Aussagen verschiedener Wissenschaftlerinnen und nicht lineare Wissensfindungsprozesse, die unter anderem während der Covid-19-Pandemie für die Öffentlichkeit sichtbar wurden, können ein weiterer Grund für Irritation sein. Zu wenig würde beachtet werden, dass organisierte Skepsis und offener kritischer Diskurs Wesensmerkmale von Wissenschaft und auch Demokratie sind.

Polaschek kündigt weitere Maßnahmen an

"Der Ball liegt jetzt in meinem Haus", sagt Bildungsminister Polaschek. Auf Basis der Studienergebnisse will er nun Maßnahmen setzen, um sich dem Problem der Wissenschaftsskepsis zu widmen. Gezielt müsse man auf Menschen zugehen, die desinteressiert oder skeptisch gegenüber der Wissenschaft und Demokratie sind.

Es brauche Formate, wo die Wissenschaft mit der Bevölkerung in Dialog treten kann. Das müsse auf Augenhöhe passieren. Innerhalb des Wissenschaftssystems brauche es mehr Ressourcen und Anreize, um diesen Dialog zu fördern. Diese Maßnahmen müssen die gesamte Bevölkerung betreffen, weshalb der Studienautor Maßnahmen in der Schule als positiv einschätzt.

Da es aber eine bestimmte Gruppe mit höherer Neigung zu Wissenschaftsskepsis gibt, müssten dort gezielte Maßnahmen getroffen werden. "Diese Gruppen zu ignorieren, wäre fatal", so Starkbaum. In der Politik brauche es darüber hinaus ein klares Bekenntnis zur Wissenschaft.